Abenteuer Tindfjallaring gemäss Plastiktüten-Karte

Karte der Tindfjöll auf einer gefundenen, alten Plastiktüte. 09.09.2020

Rund um Tindfjallajökull zu fahren ist sehr abenteuerlich und braucht einiges an Fahrkünsten. Erst zu Hause entdeckte ich eine alte Plastiktüte eines Schweizer Outdoorspezialisten, auf der genau diese Route aufgedruckt ist! Es ist ein unglaublicher Zufall, wer achtet schon auf eine Plastiktüte? Zuerst realisiert ich die isländische Namen auf der aufgedruckten Karte und beim genaueren Betrachten sah ich, es handelt sich bei einem Ausschnitt genau um die spektakuläre Route, auf der ich im vergangenen Sommer unterwegs war, den Tindfjallahringur oder Tindfjallaring!

Abenteuerlich, teilweise sogar mit Adrenalinschüben verbunden, war die Fahrt um den Gletschervulkan Tindfjallajökull. Es ist verständlich, dass die Piste auf der Plastiktüte kaum zu erkennen ist, denn sie ist teilweise wirklich schlecht und war aus meiner Sicht grenzwertig zu befahren. Die isländischen Hochlandprofis sahen das natürlich anders… Dort wo ich das Gefühl hatte, nun geht es wirklich nicht mehr weiter, begann für sie der Spass. Natürlich wissen sie viel besser, was man dem Fahrzeug zutrauen kann. Um es vorweg zu nehmen, es klappte auch wirklich, Fahrzeuge und Personen umrundeten den Gletschervulkan Tindfjöll unbeschadet und genossen bei tollem Wetter fantastische Aussichten, wenn sich Blicke über Berge, Gletscher, Täler und Flüsse eröffneten, wenn sich das Gestein einzigartig zeigte oder weite grasbewachsene Ebenen vor uns lagen. Zum Glück lag nicht mehr zu viel Schnee auf den Anhöhen. Zwei oder dreimal konnten Schneefelder umfahren werden. 

Wir starteten die Umrundung in Hvolsvöllur und verliessen dort die Ringstrasse. Alles war noch einfach auf der Fljotshlid-Piste, die Landschaft flach und überall hatte es kleine Wasserläufe an der seitlichen Bergseite. Auf der anderen Talseite liegen Thorsmörk und Eyjafjallajökull mit Gigjökull. Der Markarfljot-Fluss hat hier viel Platz. Weiter hinten in Fljotshlid steigt die Piste an und wir schlechter, teilweise ist sie ausgewaschen. Bald einmal ist man auf der Höhe des Einhorn-Berges Einhirningur. Etwas später lohnt der kleine Abstecher zur Schlucht von Markarfljot, Markarfljotgljufur. Das herausstechende rötliche Gestein erkannte ich sofort, denn ich überflog diese Stelle mit Matthias per Helikopter im letzten November.

 

Langsam ging es vorwärts, teils wegen heiklen Passagen, dann wieder mit wunderbaren Plätzen, welche zum Aussteigen und Fotografieren einluden. Eine Schlüsselstelle war sicher die Furt, auf welche gleich eine von Felsblöcken begrenzte enge Passage folgte. Würde es reichen? Zum Glück passten die Fahrzeuge durch. Langsam aber sicher gewöhnte ich mich etwas an die Hindernisse, welche auf der Strecke immer wieder warteten, mal ging es steil hinauf und gleich wieder heftig runter. Die Tour war von fantastischem Wetter begleitet. Zum Schluss oder als Dessert folgte die Abfahrt in die Hungursfit-Ebene auf eine bessere, sandige Piste. Aber vorher musste noch ein Schneefeld umfahren und die vom Wasser ausgewaschene steile Abfahrt gelingen. Hungursfit, war geschafft! Weiter gelangt man auf schon fast luxuriöser Strasse zur F210, nach links gehts Richtung Torfhof-Farm Keldur, nach rechts zu Maelifell (diese Routenbeschreibung folgt später).

Aber nun wurde noch fast nichts über die Tindfjöll geschrieben! Tindfjallajökull ist ein Gletschervulkan, eine Caldera mit aufragenden Bergspitzen, welche ganzjährig teilweise schneebedeckt sind. Der höchste Gipfel Ymir ist 1462 Meter hoch. Ein weiterer heisst Yma, die einzelnen Spitzen der Gipfelcaldera tragen Namen von Riesen, Zwergen und anderen Wesen der nordischen Mythologie. Der eigentliche Gletscher ist in den letzten Jahren stark geschmolzen, mittlerweile nur noch klein und liegt im Innern der Gipfelcaldera. Unter dem Gletscher liegt der Zentral- oder Stratovulkan, deren es nicht viele gibt in Island. Der letzte grosse Ausbruch wird 52’000 Jahre zurück datiert, von ihm stammt auch die saure Lava in Form von Rhyolith in der Umgebung. 1000 Jahre früher sackte bei einem Ausbruch die Magmakammer ein und die Caldera entstand. Vor ungefähr 200’000 Jahren, während einer Warmzeit muss sich eine grosse, explosive Eruption ereignet haben, bei der Glutwolken und pyroklastische Ströme in alle Richtungen geschickt wurden. Meterdicke Ignimbritablagerungen in Thorsmörk zeugen davon. In der späten letzten Eiszeit und bis ungefähr 9000 Jahre vor heute gab es weitere Ausbrüche der Tindfjöll. Es ist nicht verwunderlich, dass das Bergmassiv mit einer solchen Geologie und Geschichte sehr attraktiv zu bereisen ist. 

Tindfjallahringur empfehle ich nur mit einem Profi zu fahren, der sich auskennt und gutes Wetter abzuwarten. Als geführte Privattour oder geführte Selbstfahrerstrecke für versierte Fahrer arrangieren wir dies gerne auf Anfrage. Im Internet ist die Tindfjöll-Umrundung auch als Wanderung beschrieben. Es ist wahrlich eine absolute Abenteuerstrecke, welche wohl unwissentlich auf einer Plastiktüte aufgedruckt wurde. Heutzutage spart man richtigerweise Plastik und gibt höchstens Papiertüten ab, aber wie schön, dass früher solch edle Tüten produziert wurden, die dann über Jahre aufbewahrt werden.

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