Es war einmal…, so könnte die Geschichte beginnen, ganz wie es bei Märchen üblich ist. Also, es war einmal ein Leuchtturm, welcher an der äussersten Spitze des auf einer kleinen Halbinsel gelegenen Ortes Akranes stand. Sein Name ist Akranesviti. Viti ist isländisch und bedeutet Leuchtturm, „nes“ ist eine Halbinsel und „akra“ weisst auf Ackerbau hin. Der Leuchtturm in Akranes wurde 1918 aus Beton gebaut, er war damals einer der ersten dieser Art. Zu dieser Zeit gehörte Island noch zu Dänemark und so ist es nicht weiter verwunderlich dass sein Erbauer ein Däne war. Der Architekt hiess Thorwald Krabbe. Wie bei jedem Leuchtturm ging es darum, Schiffen anzuzeigen, wo die Küste ist. Akranesviti war nicht sehr gross mit seinen zehn Metern Höhe. Dies war wahrscheinlich der Grund, dass in den Jahren 1943/44 wenige Meter landeinwärts ein neuer Leuchtturm gebaut wurde mit einer Höhe von 22,7 Metern. Somit konnte das Leuchtfeuer auch aus grösserer Distanz gesehen werden, was für die grösser und schneller werdenden Schiffe ganz wichtig war. Der von Axel Sveinsson erbaute zweite Akranesviti wurde 1947 in Betrieb genommen und wurde bis 1956 mit Gas zum Leuchten gebracht. Danach übernahm Strom diese Aufgabe.
Beide Leuchttürme erlebten viele Stürme und Winter mit frostigen Temperaturen über die Jahrzehnte, was ihnen mit der Zeit anzusehen war. Der kleinere Leuchtturm wurde 1992 restauriert, wegen seiner exponierten Lage zeigten Beton und Farbe schnell wieder Spuren der heftigen Brandung und der Verwitterung. Zum Glück lebt in Akranes ein Mensch, welcher ganz allgemein fasziniert ist von Leuchttürmen und der sich sehr um das Wohl des kleineren Akranesviti sorgte. Hilmar Sigvaldson fotografierte diesen im Jahr 2011 und schickte die Bilder mit der Bitte an die Redaktion der isländischen Tageszeitung Morgunbladid, die Isländer über den schlechten Zustand des Leuchtturm zu informieren und dass möglichst schnell Massnahmen zu seiner Rettung ergriffen werden müssten. Niemand konnte sagen, wie manchem Sturm der Leuchtturm noch standhalten würde. Der Zeitungsbericht zeigte Wirkung und bereits im Jahr 2012 begann die Stadt Akranes seinen alten Viti zu reparieren. Und dies in einer Zeit, wo in Island wegen der Finanzkrise kaum Geld für so etwas vorhanden war. Der Leuchtturm wurde innen und aussen sandgestrahlt, frisch gestrichen und er erhielt auch neue Fenster. Die gesamten Kosten beliefen sich auf 14 Millionen Isländische Kronen (damals ungefähr 100 000 Euros). Dank dem Aufruf in der Zeitung spendeten vor allem Leute für den Erhalt des Leuchtturms Geld, welche früher in dessen Nähe gelebt hatten. Einer von ihnen war der frühere Wärter des alten Akranesviti. Im Jahr 2013 wurde der kleine Leuchtturm von einer Webseite zum drittschönsten Leuchtturm der Welt erkoren (abgebildet ist der noch nicht renovierte Akranesviti). Wen wundert es, dass er nun der meistfotografierte Leuchtturm in Island ist? Eigentlich hätte nun das Märchen der Rettung des Leuchtturms schon mit ein glückliches Ende gefunden. Aber Hilmar hatte weitere Pläne und öffnete den grossen Leuchtturm für die Öffentlichkeit. Früher hatte nur der Leuchtturmwärter Zugang, sonst war er zugeschlossen. Am 24. März 2012 hatten die Leute zum ersten Mal zutritt und durften über die vielen Stufen nach oben steigen und hinaus auf die Plattform treten um die Aussicht zu bestaunen. Diese ist in der Tat fantastisch und bei gutem Wetter entdeckt man im Süden die Bucht Faxafloi und dahinter die Halbinsel Reykjanes, im Westen die Halbinsel Snaefellsnes mit Snaefellsjökull, im Osten die typischen Gebirgszüge, welche mit etwas Schnee traumhaft schön aussehen. In der Nähe kann man den Hafen und den Ort von Akranes überblicken oder die unzähligen Eiderenten und andere Vögel beobachten, welche gleich vor der Küste schwimmen oder auf den flachen Felsen sitzen. Bei der Öffnung des Leuchtturms wurde auch die grandiose Akkustik im Innern bemerkt, welche auf der zweiten Etage am allerbesten ist. Dank dem innovativen Hilmar fanden bereits zahlreiche Konzerte, welche teilweise auf youtube anzuschauen und -hören sind (siehe unten). 2013 wurde Hilmar in Akranes zum Mann des Jahres gewählt, über ihn wurde in Zeitungen berichtet und er gab unzählige Radio- und Fernsehinterviews. Akranes erhielt dank ihm positive Schlagzeilen und wurde unter anderem den Leuten von Reykjavik in Erinnerung gerufen. Die Stadt lag seit der Eröffnung des Hvalfjördurtunnels 1998 abseits der Ringstrasse und geriet etwas in Vergessenheit. Sie war definitiv nicht mehr an der Hauptverkehrsachse. 2012 besuchten gerade mal 3 200 Personen Akranes, 2016 waren es jedoch deren 14 000. Während Hilmar zu Beginn Musiker anfragen musste, ob sie im Leuchtturm spielen würden, kommen diese nun von selbst. Im Februar 2016 fand ein Gottesdienst im Leuchtturm statt und im Juli wurde ein Kind getauft. Nun hofft Hilmar für 2017 auf eine Hochzeit, aber er hat auch andere Visionen. Für Mittsommer hofft er, dass um 23.55 Uhr in allen aktiven Leuchttürmen rund um die Insel Konzerte statt finden würden und ruft Musiker auf am 24. Juni gegen Mitternacht im nächst gelegenen Leuchtturm zu spielen. Den Besuchern von Akranesviti wird nicht nur Musik geboten, die Wände des zugänglichen Leuchtturm eignen sich auch für Bilderausstellungen, vor allem die im vergangenen März ausgestellten Flechten-Gemälde zogen die Aufmerksamkeit auch sich. Für Hilmar ist aus dem Leuchtturm-Hobby ein Vollzeitjob geworden. Er sitzt unten im Leuchtturm, wartet auf kommende Gäste, wer auf die Plattform hinauf möchte, bezahlt ein kleines Eintrittsgeld. Und er weiss unglaublich viel zu erzählen über Akranesviti und andere Leuchttürme in Island. Als Besucher bringe man genügend Zeit mit und erlebe im wahrsten Sinne ein Leuchtturm-Märchen. Diese Geschichte wäre auch reif für ein Bilderbuch!
Es war ein Zufall, welcher Best of Iceland am letzten Tag der gekürzten Wintermärchenreise nach Akranes führte. Auf dem Programm stand die Fahrt von Stykkisholmur nach Reykjavik und Keflavik. Alle Mitreisenden kannten Reykjavik bereits und wollten dort nicht wirklich Zeit verbringen und beim Leuchtturm in Stykkisholmur stehend, wurde das Programm in einen Leuchtturmtag abgeändert. Akranes gefiel allen sehr, Hilmar zog die kleine Gruppe in seinen Bann, weshalb die Zeit nicht mehr für Grotta in Reykjavik reichte, aber die beiden nicht unähnlichen Leuchttürme bei Gardur rundeten diesen Tag perfekt ab.
Best of Iceland kann den Besuch mehr als empfehlen und wird auf zukünftigen Touren Akranes und seine Leuchttürme wenn möglich berücksichtigen. Der auf der anderen Seite der Halbinsel liegende, 1937 erbaute und 6,5 Meter hohe Krossvikurviti will auch noch besucht werden. Aber es gibt eine grössere Vision: eine Leuchtturm-Tour um Island. Interessenten melden sich gerne unter info@bestoficeland.ch. Vielleicht gibt es Anfragen von Leserseite für eine private Tages- oder Abendtour oder gar eine Gruppenreise? Gerne organisiere ich einen Besuch in Akranes, natürlich inklusive Hilmar, bei Bedarf mit Musik oder falls jemand selbst Musiker ist, kümmere ich mich um die Möglichkeit im Leuchtturm spielen oder singen zu können.
Virtuell lässt sich der Leuchtturm auf den beiden Facebookseiten von Hilmar besuchen: Akranesviti und Akraneslighthouse.
65 Ausschnitte von Konzerten/Musik im Leuchtturm kann man sich auf der Akranesviti playlist bei youtube anhören.