Am 4. Mai zum Tod verurteilt – Buchtipp von Gunnar Gunnarsson

Raudisandur in den Westfjorden, wo im Herbst 1882 Bjarni’s Leiche angespült wurde. 04.07.2017

Ist es eher ein späte, isländische Saga oder ein früher, wahrer Krimi? Man schrieb den 4. Mai im Jahre 1803, als Bjarni Bjarnason und Steinunn Sveinsdottir in den Westfjorden zum Tod verurteilt wurden. Die ganze Geschichte war alles andere als einfach, es dauerte einige Zeit bis man wusste, was geschehen war und noch schwieriger, war es Gericht darüber zu halten. In Sjöunda, nahe Raudisandur, lebten nur gerade zwei Ehepaare, von denen zuerst Jon, der Mann von Steinunn am 1. April 1802 verschwand und nur drei Monate später Gudrun, die Ehefrau von Bjarni auf mysteriöse Art und Weise verstarb. Man vermutete, Jon sei bei den nahe gelegenen steilen Klippen abgestürzt, aber als er im September an den Strand Raudisandur gespült wurde, wurde klar, dass dies nicht die Todesursache sein konnte. Die Obduktion wurde unter anderem vom Kaplan in der Kirche vorgenommen. Vermutlich geschah dies in der Vorgängerkirche der heutigen Saurbaerkirche. Der Kaplan führt in der historischen Kriminalgeschichte von Gunnar Gunnarsson in der Ich-Form durch das Geschehen.

Die heutige Saurbaer Kirkja wurde 1963 von Reykholar zu Raudisandur gebracht. 04.07.2017

Der Schriftsteller Gunnar Gunnarsson recherchierte alles rund um diese zwei Todesfälle, die Klärungsversuche und vor allem die langwierige, fast dramatische Verurteilung und die Schwierigkeiten, damals im von Dänemark regierten Island in der Abgeschiedenheit Gericht zu halten. Zu guter Letzt liess sich niemand finden für die Vollstreckung des Todesurteils der beiden, so dass diese nach Norwegen gebracht wurden. Mehr als 100 Jahre später rollt Gunnar Gunnarsson den Fall um Mord und Ehebruch, die Tragödie um Schuld und Recht wieder auf. Das Buch „Svartfugl“ erscheint 1929.

Gunnar Gunnarsson wurde 1889 in Ostisland geboren, lebte in Dänemark, bevor er 1926 nach Island zurückkehrte. Er wurde zeitweise der Sympathie zum Nazitum bezichtigt, mit der Übersetzung seines Buches aus dem dem dänischen Originaltext besserte sich sein Ruf in Island. 1938 erwarb Gunnar Gunnarsson in Ostisland den Hof Skriduklaustur oberhalb des Flusses Lagarfljot und er liess dort nach den Plänen eines deutschen Architekten ein riesengrosses Herrschaftshaus bauen, in welchem er lebte. Aus finanziellen Gründen verliess er diesen Wohnsitz bereits nach 10 Jahren und zog nach Reykjavik, wo er 1975 starb. Sein ehemaliges, nie ganz fertig gestellte Wohnhaus Skriduklaustur, ist mittlerweile ein Museum, die ausgegrabenen Ruinen des Klosters aus dem 16. Jahrhundert befinden sich in kurzer Gehdistanz. 2009 erschien die deutsche Neuübersetzung „Schwarze Vögel“ von Karl-Ludwig Wetzig. Das Buch lässt die Leserschaft in die abgeschiedene Landschaft bei Raudisandur in den Westfjorden und den Zeitgeist von 1800 eintauchen. Das Nachwort des Übersetzers ist ebenfalls sehr lesenswert. Schwarze Vögel ist bei Reclam als gebundene Ausgabe erhältlich. Ob ein früher historischer Krimi oder eine späte isländische Saga, entscheide man nach dem Lesen. Vermutlich sind die Schwarzen Vögel noch intensiver spürbar, wenn man bereits in den Westfjorden war und diese unglaubliche Landschaft vor Augen hat.

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