Das Seelenhaus von Hannah Kent oder Þrístapar – Buchtipp

Die unscheinbaren Hügel von Thristapar an der Ringstrasse bei Vatnsdalur in Nordwestisland. 15.06.2015

Die unscheinbaren Hügel von Thristapar an der Ringstrasse bei Vatnsdalur in Nordwestisland. 15.06.2015

Bald beginnt wieder die grosse Reisesaison und gar mancher fährt ahnungslos entlang der Ringstrasse durch den Nordwesten Islands. Wie oft bin ich wohl bei Thristapar vorbeigefahren ohne von diesem Ort Notiz zu nehmen? Thristapar, oder die drei Kuppen befinden sich wenig westlich der eigenartigen Hügellandschaft des Vatnsdalur. Die Stelle findet sehr wenig Beachtung und kaum ein Mietwagen oder Bus stoppt hier. Ein Tor im Zaun lässt Interessierte durch und die angebrachte Tafel informiert über die traurigen Geschehnisse im Jahr 1830. Damals gab es noch keine Ringstrasse und die Leute waren mit Pferden oder zu Fuss unterwegs. Wäre jemand in besagtem Jahr im Januar bei Thristapar vorbeigeritten, hätte dieser eine grausige Entdeckung gemacht. Auf Pfählen waren menschliche Häupter befestigt. Die Köpfe wurden den als Mörder verurteilten Agnes Magnusdottir und Fridrik Sigurdsson in der letzten Hinrichtung in Island abgeschlagen. Die beiden wurden beschuldigt, die auf dem Hof Illugastadir auf der Halbinsel Vatnsnes lebenden Natan Ketilsson und Petur Jonsson umgebracht zu haben. Die Australierin Hannah Kent lebte als Austauschstudentin lange Zeit in Island und recherchierte die Geschichte von Agnes. Daraus entstand der auf historischen Tatsachen beruhende Roman „Das Seelenhaus“. Das Original schrieb Hannah Kent in Englisch unter dem Titel „Buriel Rites“ und die isländische Übersetzung ist nach dem Ort „Þrístapar“ benannt. Die Durchfahrt an genannter Stelle war für mich nach der Lektüre nicht mehr die gleiche wie vorher . Das Seelenhaus wirkt mit all den Beschreibungen der Person und den Geschehnissen um Agnes aufwühlend und lässt einen die Zeit unter dänischer Herrschaft spüren. Eindrücklich erfährt man vom Leben aus dieser Zeit, über die unglaubliche Armut, welche in Island herrschte, wie Kinder aus Not alleine gelassen wurden, das harte Leben im Winter in den Torfhäusern, wie man Mägde ausnutzte und wie Mutter und Kind unter der Geburt ums Leben kamen, weil die Hebamme wegen eines Sturms nicht rechtzeitig eintraf. Wie deutete man damals Nordlichter und wie wurde Gericht gehalten oder ging es eher darum ein Zeichen zu setzen? Die Lektüre des Seelenhauses ist keine leichte Kost, aber sehr berührend und wie erwähnt, lässt es einen plötzlich die Landschaft des Vatnsdalur mit ganz anderen Augen betrachten – ein ungedingt empfehlenswertswertes Buch, welches vielleicht in absehbarer Zeit verfilmt wird.

Ein weiteres Buch, welches von nicht unähnlichen Geschehnissen im frühen 19. Jahrhundert handelt, ist die Kriminalgeschichte „Schwarze Vögel“ des bekannten Autors Gunnar Gunnarsson, dem eine Ausstellung im Skridurklaustur in Ostisland gewidmet ist. Der Todesfall ereignete sich aber ganz anderswo, nämlich in Raudasandur in den Westfjorden.

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