Der Bruarfoss fällt über zwei Fallstufen nur ungefähr fünf Meter in die Tiefe und ist im Vergleich zu anderen isländischen Wasserfällen klein, aber er besticht durch seine spezielle Schönheit! In letzter Zeit wurde viel über diese Naturperle in Südisland geschrieben und diskutiert. Endlich wanderte ich im November zum ersten Mal dorthin, ausgerüstet mit Fotokamera und Stativ an einem sonnigen, aber kalten Tag. Den Wasserfall kann man nur noch zu Fuss erreichen, die Wanderung lohnt sich definitiv. Der Weg führt auf weiten Strecken dem Fluss Bruara entlang und man trifft unterwegs auf die beiden kleinen Wasserfälle Hlauptungufoss und Midfoss. Beide laden bereits zum Fotografieren ein, die hellblaue Farbe des Wassers im schwarzen Gestein ist toll. Schlussendlich erreicht man den Bruarfoss, bei welchem das Wasser gleich von mehreren Seiten in die mittlere Flussspalte fällt – ein fantastisches Naturschauspiel! Bei meinem Besuch waren die Lichtverhältnisse alles andere als einfach, ein Teil wurde von der Sonne beschienen, der Rest lag im Schatten. Einen wunderbaren Blick hat man von der Fussgängerbrücke, aber auch unmittelbar unter dieser und trotzdem noch etwas erhöht. Es ist faszinierend dem fallenden Wasser und den Strudeln in den Gesteinsspalten zuzuschauen, die hellblaue Farbe des Wassers ist wunderschön.
Gemäss alten Beschreibungen führte in alten Zeiten eine Natursteinbrücke weiter nördlich über den Fluss Bruara. Dieser gab dem Fluss seinen Namen, Brückenfluss. 1602 soll der Gutsverwalter des Bischofssitzes von Skalholt den Befehl zur Zerstörung der Brücke gegeben haben, um den Bettlern den Weg dorthin abzuschneiden. Anscheinend soll er wenig später selbst im Fluss ertrunken sein. Auch gibt es etwas ungenaue Angaben, dass im Jahr 1433 der dänische Bischof Jon Gereksson im Wasserfall ertränkt worden sein soll, nachdem man ihn in einen Sack gesteckt hatte, auf einen grossen Stein gezogen und von dort hinunter gestossen hatte. Der Grund könnte ein Eifersuchtsdrama gewesen sein.
In den letzten Jahren wurde in den Medien immer wieder über den Bruarfoss berichtet. Niemand hatte damit gerechnet, dass dieser in kurzer Zeit explosionsartig zu einem begehrten Touristenziel wurde. Der Grund für die plötzliche Popularität dürften die Bilder des kleinen Wasserfalls und dem hellblauen Wasser gewesen sein, welche sich in den sozialen Medien wie zum Beispiel Facebook oder Instagramm schnell verbreiteten. Der Wasserfall liegt in einem Sommerhausgebiet und die Besitzer waren weder erfreut über die vielen Besucher, noch gab es geeignete Infrastruktur. Diese ist auch jetzt noch nicht vollständig vorhanden, aber man hat bereits an der Strasse 37 östlich von Laugarvatn einen Parkplatz erstellt, der oft gut besetzt ist. Die Weiterfahrt ist versperrt und ab dem Parkplatz muss man zu Fuss gehen. Die Strecke misst gute drei Kilometer und die Wanderung dauert ungefähr 45 Minuten bis eine Stunde. Aktuell werden die Wege ausgebessert, aber es dürfte noch etwas dauern, bis die ganze Strecke fertig ist und es kostet natürlich auch Geld. Auch fehlen Toiletten und manch einer nutzt das Gebüsch und lässt das Papier dort liegen. Bei meinem Besuch war die Bodenoberfläche gefroren, aber es war gut sichtbar, dass der Weg bei nassem Wetter nur noch aus Schlamm besteht. Dies scheint den Besuchern egal zu sein, sie wollen unbedingt zu diesem Wasserfall und Schäden an der Natur kümmern sie nicht weiter. Bruarfoss ist nicht das einzige Beispiel in Island (und anderen Ländern), wo schlicht zu viele Leute hingehen und grosse Zerstörungen anrichten. In neuerer Zeit suchen sich Touristen ihre Reiseziele mit Bildern und Videos in den sozialen Medien. Sie sehen dort die Fotos, welche sie auch machen wollen, oft als Selfie. In einem anderen Zusammenhang las ich kürzlich den Begriff „Hot Spot Hoppers“ für diese Art von Touristen und fand diesen sehr treffend. Hot Spot Hoppers gibt es nicht nur in Island, sondern mittlerweile wohl fast überall auf der Welt. In Island sind unter anderen Zielen besonders beliebt, das Reykjadalur bei Hveragerdi mit dem warmen Fluss und Bademöglichkeit, die beiden von Justin Bieber besuchten Punkte (Flugzeugwrack beim Solheimasandur und Fjardargljufur bei Kirkjubaerklaustur), der Strand Reynisfjara bei Vik, der wegen der Sneakerwellen wirklich gefährlich sein kann, die nicht einfach zu erreichende Schlucht Studlagil in Ostisland. Gegen die Besuche all dieser Sehenswürdigkeiten ist eigentlich nichts einzuwenden, wenn die Leute rücksichtsvoll mit der Natur und vernünftig gegenüber Gefahren umgehen. Aber leider ist dies viel zu wenig der Fall und ich staune immer wieder, wie schlecht ausgerüstet Leute unterwegs sind und nicht zu wissen scheinen, wie sie zu ihrem begehrten Ziel gelangen. Tourismus im Einklang mit der Natur wäre für die Zukunft mehr als wünschenswert!