Es sind einzigartige, spezielle Berge, welche sich im Südosten Islands steil über die Küste erheben. Sie sind vielbeachtet und teilweise sogar berühmt, selbst als Filmkulissen. Je nach Route begegnen wir diesen Bergen auch auf unseren Touren und widmen ihnen den einen oder anderen Stopp, je nach verfügbarer Zeit. Bereits habe ich viele Fotos, weitere dürften dazukommen und dies war mitunter ein Grund die Hörner im Südosten und ihre Umgebung in der Folge etwas besser zu beleuchten.
Spitze Berge sind in Island eher untypisch, in vielen Teilen des Landes herrschen langgezogenen, oben abgeflachte Bergrücken vor. Bei den Bergen im Südosten handelt es sich vermutlich um Resten eines erloschenen Zentralvulkans, welcher vor 6 bis 7 Millionen Jahren aktiv war (Island ist ca. 20 Millionen Jahre alt). Sowohl das Vestra- als auch das Eystrahorn dürften Intrusionen sein. Eine Intrusion entsteht gemäss Wikipedia, wenn fliessfähiges Material eindringt, in diesen Fällen war es Magma. Während der letzten Eiszeit haben die Gletscher dann viel Gestein weggeschliffen, gut und gerne 1000 bis 2000 Meter und die Intrusionen wurden sichtbar. Einzigartig sind die Berge auch wegen ihrer Bestandteile. Man findet hier die beiden Tiefengesteine Gabbro und Granophyr. Ansonsten findet man Plutonite auf Island kaum, im Südosten der Insel kommen sie aber vor.
Starten wir mit dem Eystrahorn, an welchem man bei einer Inselumrundung auf der Ringstrasse vorbei fährt. Es erhebt sich ganz im Südosten, am Ende der langgezogenen Bucht Lon bei der kleinen Halbinsel Hvalnes mit dem Leuchtturm. Wir stoppen hier oft beim Leuchtturm und schauen uns auch am Strand um. Dieser besteht mehrheitlich aus linsenförmigen, schwarzen Steinchen, Strandpflanzen und spannendem, angespülten Strandgut. Das Eystrahorn, auf dt. Osthorn, wird auch Austurhorn oder Hvalnesfjall genannt und ist ein Teil des 716 hohen Krossnesfjall. Mit etwas Glück spiegelt sich der Berg in einer kleinen Lagune. Im Oktober 2014 beherrschten zahlreiche Schwäne die Szenerie, welche vermutlich beim Flugtraining für ihren Abflug nach Süden waren und immer wieder neue Kreise flogen. Am Fuss des Eystrahorns sind noch die verfallenen kleinen Gebäude des Torfhofs erkennbar, welche 1979 als Kulisse für den Film „Das wiedergefundene Paradies“ nach dem Roman von Halldor Laxness, erstellt wurden.
Schaut man von Hvalnes Richtung Westen fällt das Brunnhorn auf. Der Berg wird auch Batman Mountain genannt, weil seine Silhouette dem Batman Logo sehr ähnlich sieht. Man kann den Berg auch auch von Stokksnes aus sehen, er liegt dann auf rechten Seite des Vestrahorns etwas zurückversetzt. Er liegt auf der Ostseite der Stokksnes Halbinsel, welche er mit dem höchsten Berg dieser Region, dem 889 Meter hohen Klifatindur, dem 650 Meter hohen Kambhorn und dem 454 Meter hohen Vestrahorn teilt.
Das Vestrahorn, übersetzt Westhorn, ist der berühmteste und meist fotografierte Berg dieser Region. Kaum eine Fotoreise, welche hier nicht stoppt und die unendliche Anzahl Instagramm-Bilder ergänzt. Schaut man sich die Fotos an, dann wächst der Wunsch diesen Ort auch etwas besser zu erkunden, dies stand längere Zeit auf meiner Pendenzenliste. Auf der Umrundung während der Covidzeit im Februar 2021 waren die Wetterbedingungen aber so schlecht, dass ich davon absehen musste. Die Stokksnes-Landzunge ist sehr sandig und sollte bei starkem Wind gemieden werden. Aber an Ostern 2021, als ich wegen des Vulkanausbruchs gleich wieder nach Island reiste, klappte es bei besten Bedingungen und ich kann die Begeisterung von Fotografen bestens nachvollziehen. Um nach Stokksnes zu gelangen, zweigt man von der Ringstrasse nicht Richtung Höfn ab, sondern fährt weiter bis unmittelbar vor den Allmannaskard-Tunnel und nimmt hier die Abzweigung Richtung Süden und fährt bis zum Stokksnes Cafe mit Campingplatz und einigen Hotelzimmern. Weiter führt eine oft ziemlich sandige Piste zum Ende der Landzunge mit Leuchtturm, aber dieses Land ist privat und man muss im Café oder an einem Automaten eine Gebühr von ISK 900 (ca. CHF/EUR 6) bezahlen, um während 24 Stunden die Schranke passieren zu dürfen. Dies lohnt sich bei gutem Wetter unbedingt, die Landschaft mit den gezeitenabhängigen Lagunen, den schwarzen Stränden und kleinen Sanddünen mit ihren Limes-Grasbüscheln ist grossartig – und im Hintergrund erhebt sich die tolle Vestrahorn-Kulisse! Für Fotos gilt, je Weitwinkel, desto besser und während den Covid-Restriktionen hatte es bei meinem Besuch auch kaum Leute vor Ort. Je nach Bedingungen „rollt man das Feld“ eventuell am besten von hinten auf, startet ganz im Süden, schaut, ob sich Robben auf den vorgelagerten Steinen tummeln. Kehrt man nun zurück, hat man die ganze Szenerie des Vestrahorns vor sich. Vielleicht reizen die Dünen für erste Fotos, aber wenn sich die Lagune spiegelglatt präsentiert, sollte man besser nicht warten, bis Wind das Wasser kräuselt. Ja, es ist, als könne man über Wasser gehen. Was für ein Glück hatte ich an diesem 1. April, die Zeit vergass ich völlig, goldene und blaue Stunde kamen, mein bis zum heutigen Tag liebstes Selfie entstand. Gleichzeitig durfte ich den Himmel und die ganze Stimmung mit Sonnenuntergang im Westen, zum Vatnajökull hin nicht ausser Acht lassen. Es war einfach nur traumhaft und ich war von Eindrücken so sehr erfüllt, dass ich bei Dunkelheit nur noch zu Fuss vom Campingplatz losging, um tief am Horizont etwas Nordlichter einzufangen. Im Cafe hatte ich mich bereits beim Einchecken mit der lokalen Broschüre mit Karte (auf der Webseite roads-and-rivers.com gefunden) ausgerüstet und die Wanderung für den nächsten Tag festgelegt.
Tatsächlich lohnte auch die Wanderung, kurz nach der Schranke geht es am Parkplatz los und man erreicht in Kürze einige Gebäude eines Wikingerdorfs, welche für einen Film von Baltasar Kormakur als Kulisse dienen sollten. Der Film wurde nie realisiert, aber die ungebrauchten Wikingergebäude-Kulissen wurden in neuster Zeit für die Netflix Serie „The Witcher: Blood Origin“ (2022) verwendet. Den überwachsenen Ruinen gleich daneben ist zu entnehmen, dass hier früher eine Farm stand. Die Wanderung erwies sich zu Beginn als nicht ganz einfach, sie war kaum markiert und führte auch immer wieder über landwirtschaftliche Entwässerungsgräben, in denen teilweise noch Schnee lag oder die ziemlich viel Wasser führten. Zum Glück ging ich weiter, spannend wurde es als im Hintergrund das Brunnhorn auftauchte (siehe weiter oben) und gleichzeitig waren da Überresten von früheren Gebäuden und einem mächtigen Feuerofen zu sehen. Vermutlich stammen diese von den britischen Besatzern, welche im zweiten Weltkrieg hier waren. Weiter ging es über interessantes Gestein hinunter an den flachen, schwarzen Strand, die kommende Flut liess das Wasser über die Fläche gleiten.
Wiederum war es möglich, über eine Wasserfläche zu wandeln und wie einige vermuten können, dauerte die Wanderung lange, da ein Fotomotiv nach dem anderen auftauchte, mit der abschliessenden, unerwarteten Krönung: Eine Reitergruppe, die den Strand Kirkjusandur von Hornsvik unterhalb des Vestrahorns für den Ostersamstag unter die Hufe nahm, ritt genau rechtzeitig vorbei, was für ein fantastischer, ebenfalls filmreifer Moment!
Vestrahorn, Eystrahorn, Brunnhorn, ich komme wieder, bringe genügend Zeit mit und hoffe natürlich auf möglichst optimale Wetterbedingungen…