Erdrutsche in Seydisfjördur

Die blaue Kirche von Seydisfjördur ist mit der Regenbogenstrasse ein beliebtes Fotomotiv. 27.08.2019

Gleich mehrere Erdrutsche und Schlammlawinen gingen am 18. Dezember in Seydisfjördur nieder und die ungefähr 700 Personen zählende Bevölkerung wurde sicherheitshalber evakuiert. Rekordhohe Niederschlagsmengen fielen vom 14. bis 18. Dezember, 582 Millimeter wurden gemessen (zum Vergleich beträgt die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge in Reykjavik 860 mm). In der Nacht gab es zwei Erdrutsche, welche Häuser beschädigten. Am Nachmittag wurde der Ort nochmals von einer grossen Schlammlawine getroffen, während die Rettungs- und Aufräumarbeiten im Gange waren. Nochmals wurden Häuser zerstört, eines wurde ganz umgerissen, wie in einer Videoaufnahme bei Visir zu sehen ist. Danach wurden alle Bewohner des Hafenortes in Ostisland in ein Auffanglager nach Egilsstadir gebracht. Von dort aus wurden dann Übernachtungsplätze organisiert. Viele fuhren mit den Privatautos, andere wurden mit Bussen transportiert. Einige mussten  zuerst mit dem Boot abgeholt werden, da ihre Zufahrtsstrassen verschüttet waren. Noch ist die Zufahrt nach Seydisfjördur gesperrt, es ist zu unsicher, nur die von Reykjavik verstärkten Rettungsmannschaften sind dort, die Feuerwehr ist daran Keller und Drainagen zu leeren. Auch Ort Eskifjördur, welcher im südlichen Reydarfjördur liegt, gingen am selben Tag mehrere kleine Schlammlawinen nieder, auch hier wurde ein Teil der Bevölkerung evakuiert. 

Aus unseren Alpen kennen wir ähnlich Naturkatastrophen und wünschen allen Bewohnern von Seydisfjördur und Eskifjördur eine möglichst baldige Rückkehr in ihre Wohnhäuser und hoffen, dass sich Weihnachten irgendwie feiern lässt. Iceland Monitor hat einige Bilder der Katastrophe publiziert. In der Folge wird der Ort Seydisfjördur noch etwas genauer vorgestellt

Seydisfjördur kennt man vor allem als Hafen der Fähre Norröna, welche wöchentlich einmal aus Hirtshals in Dänemark via Färöer Inseln kommend in den Fjord einläuft. Aktuell wird das Schiff der färingischen Reederei Smyril Line in Dänemark überholt. Jahrhunderte lang lebten die Menschen am Fjord isoliert. 1834 wurde eine Handelsstation gegründet, der Aufschwung folgte aber erst um 1900, als Norweger und Dänen zum Heringsfang kamen. Damals war Seydisfjördur die weitaus grösste Ortschaft in Ostisland. Aus dieser Zeit stammen noch einige Holzhäuschen, welche heute renoviert sind. Damals wurden aus Norwegen auch Bausätze für die blaue Kirche geliefert, welche heute das Wahrzeichen des Ortes ist. 1906 erhielt Seydisfjördur als erster Ort Islands einen Telefonanschluss. Ein 615 Kilometer langes Kabel wurde über dem Meeresboden von den Orkney-Inseln verlegt. Bis Reykjaviks Wirtschaft aufblühte, war Seydisfjördur einer der modernsten Orte Islands. Steile Berghänge ragen auf beiden Seiten des sechzehn Kilometer langen und bis zu vier Kilometer breiten Seydisfjord teilweise mehr als tausend Meter hoch hinauf. Der Fjord wurde in der letzten Eiszeit geformt, die damaligen Gletscher hinterliessen eine tiefe Meeresrinne, welche auch mit grossen Schiffen befahren werden kann. Diese diente im zweiten Weltkrieg zuerst den Briten, später den Amerikanern, ungefähr 800 Soldaten waren zeitweise in Seydisfjördur stationiert und mischten sich unter die Bevölkerung. Nach dem Krieg war viele Jahre lang ausser Fischerei und der Fährankunft nicht mehr viel los im Ort, welcher am Fjordende liegt. Einmal wöchentlich gab es etwas mehr Leben, das war der Abend vor Fährabfahrt. In den letzten Jahren hat aber die Popularität des Ortes zugenommen, die blaue Kirche mit der zu ihr führenden Regenbogenstrasse ist zum beliebten Instagramm-Hotspot geworden. Seit viel mehr Kreuzfahrtschiffe nach Island kommen, legen diverse auch in Seydisfjördur an und sorgen dafür, dass vor allem im Sommer mehr Leute dort sind. In der Nebensaison bietet auch Smyril Line eigene Touren an und die Norröna bleibt eine Nacht im Hafen im liegen und fährt nicht nach zwei oder drei Stunden wieder ab. Verkehrsprobleme gibt es im Frühling und Herbst  über den 620 Meter hohen Pass Fjardarheidi, wenn es plötzlich zu heftigen Schneefällen kommt. Seit Jahren wünschen sich die Bewohner von Seydisfjördur einen Tunnel. Noch mehr Bekanntheit erlangte Seydisfjördur mit der beliebten Krimiserie Trapped. Die Geschichte handelt in Seydisfjördur, auch wenn nicht alles dort gedreht wurde. Wegen eines Lawinenunglücks war der Ort im Film ebenfalls geschlossen…

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