Erfolgreiche Brutsaison der Seeadler

Weissschwanz-Seeadler auf einer Schäre bei Flokalundur (maximal eingezoomt), 18.09.2019

Ab und zu ist es richtig wohltuend positive Neuigkeiten zu lesen, wie zum Beispiel die erfreulichen Medienberichte zur Brutsaison der Weissschwanz-Seeadler in Island. In 60 Nestern sind 51 Adlerjunge geschlüpft, diese Zahl wurde nur gerade 2019 mit 56 übertroffen. Seit 1959 beobachtet man die Seeadler genauer und zeichnet alles auf. Man kennt die Nistplätze der Seeadler, es gibt zur Zeit ungefähr 85 Paare in Island, die meisten leben um den Breidafjördur in Westisland. 2014 war ich unterwegs mit einer Hobby-Ornithologin und wir hielten immer wieder Ausschau nach dem grossen Seevogel, aber gemeinsam entdeckten wir leider keinen. Erst als ich für eine weitere Tour aus den Westfjorden Richtung Reykjavik fuhr, während die Vogelinteressierte mit ihrer Familie auf einer anderen Route reiste, entdeckte ich tatsächlich am Himmel einen wirklich grossen Vogel. Was für eine Hektik mit Anhalten, Kamera zücken und Fenster öffnen. Für einen kurzen Moment kreiste der Seeadler direkt über dem Auto, bevor er in den nahen Felsen verschwand. Derart grosse Vögel gibt es in Island sonst nicht, die Flügelspannweite misst bis zu 2,5 Meter, der Schwanz ist kurz und drachenviereckig.  An den breiten Flügel lässt sich leicht der Raubvogel erkennen, die Flügel der anderen Wasservögel verlaufen in eine Spitze. Die Sichtung machte ich im Bereich von Kroksfjardarnes, östlich von Reykholar und vor dem Damm über den Gilsfjördur. Man weiss um das Seeadlerpaar in den Felsen und richtete deshalb hier auch das Seeadlerzentrum ein, das „Arnarsetur“. Davon wusste ich vorher nichts, jetzt interessierte es mich brennend! Mit der jungen Frau kam ich ins Gespräch und sie fragte mich, von wo ich sei und ob ich Deutsch spreche. Das Adlerzentrum sei noch im Aufbau und es wäre gut, wenn der deutsche Text noch auf Fehler korrigiert würde. Wir vereinbarten, dass sie mir den Entwurf schicken würde und ich diesen dann redigiere. Gesagt, getan und ich wurde um viele Informationen reicher!

Seeadler am Himmel im Kroksfjördur. 25.07.2014

Ausgewachsene Seeadler sind dunkelbraun, jedoch heller an Kopf und Hals. Ein Teil der Schwanzfedern ist weiss, diese sieht man aber nicht immer, da sie in diesem Bereich auch dunkle Deck- und Unterfedern haben. Schnabel und Füsse sind gelb, so auch die Augen. Die Krallen an den Füssen sind grauschwarz. Die Adler wiegen je nach Ernährungszustand 4 bis 7 Kilogramm, die Weibchen sind grösser und schwerer als die Männchen. Die Jungvögel sind deutlich dunkler als ihre Eltern und haben mehr Farbunterschiede. Erst im Alter von sechs Jahren erhalten sie die Färbung der ausgewachsenen Vögel, dann beginnen sie auch zu nesten und sich zu paaren. Im Abstand von zwei bis vier Tagen legt das Weibchen normalerweise zwei Eier,  welche sie während ungefähr sechs Wochen ausbrüten. Dies übernimmt mehrheitlich das Weibchen, aber das Männchen springt ab und zu ein. Die Jungen schlüpfen mit etwas zeitlichem Abstand und es kann vorkommen, dass das ältere dem jüngeren die Nahrung wegfrisst. In den ersten vier Wochen verlässt das Weibchen die Jungen im Horst kaum und schützt sie vor der Witterung, das Männchen besorgt Nahrung. Mit ungefähr acht Wochen verlassen die Jungvögel das Nest und werden mit zehn Wochen flügge. Wichtig ist für die Seeadler natürlich die Nahrungsbeschaffung. Sie ernähren sich zu ungefähr 90% von Vögeln und 10% Fischen. Ein besonderer Leckerbissen sind die Eiderenten. Diese Mahlzeit gibt dreimal mehr her als ein Eissturmvögel. Gerade in früheren Jahrzehnten stand die Jagd auf Eiderenten im Konflikt mit den Eiderentenfarmern. Diese wehrten sich gegen den Raub ihrer Vögel. 1884 gründeten sie im Breidafjördur und in Strandir einen Verein und beschlossen Regeln zur Vernichtung der Greif- und Aasvögel, welche ihrer Entenbrut schadeten. Sie vergifteten Aas mit Strichnin, hauptsächlich um Füchse zu töten. Leider starben auch reihenweise Seeadler am vergifteten Aas. Die Seeadler wurden auch gejagt und der Bestand nahm drastisch ab. 1913 wurden endlich Massnahmen ergriffen, um eine Ausrottung zu verhindern. Ab dem 1. Januar 1914 war der Seeadler für fünf Jahre vollständig geschützt. Diesen Schutz verlängerte man immer wieder bis 1954, als man diesen auf unbestimmte Zeit verlängerte. Zeitweise gab es nur noch zwanzig Weissschwanz-Seeadlerpaare. Der Bestand erholte sich aber erst in den sechziger Jahren, als ein Verbot von vergiftetem Aas gegen Füchse erlassen wurde.

Seit 1959 wird die Adlerbrut aufgezeichnet. Einzelne Jungvögel erhalten noch im Nest von Spezialisten des Naturhistorischen Instituts einen GPS-Chip, um diese orten zu können und mehr über sie zu erfahren. In diesem Jahr waren im Frühling alle im Vorjahr geborenen und mit einem Chip versehen Jungen ausser zwei am Leben, zwei verliessen das Nest im späten Oktober oder frühen November, während einige bis zum Februar nach Flügen von 7 bis 8 Kilometern immer wieder zum Nest zurückkehrten. Nach dem Verlassen des Nestes bleiben sie oft in relativ kleinen Gebieten, selbst im Territorium von erwachsenen Seeadlern. Wenn sie erwachsen sind, suchen sie sich einen Partner, dem sie treu bleiben. Sie verlassen Island nicht, sondern wohnen in einem Horst, den sie nur teilweise wechseln. 

Die Chancen sind gestiegen, unterwegs einen Weissschwanz-Seeadler zu entdecken. So war es auch im September 2019. Einen fliegenden Adler in den Westfjorden sah ich im Arnarfjördur (Adlerfjord), aber er war viel zu schnell unterwegs und die Kamera nicht bereit. Aber es war bekannt, dass ein Adlerpaar auf einer Insel bei Flokalundur nestete und auf der Küstenfahrt wollte ich vorbereitet sein. Tatsächlich zeigte sich plötzlich auf einer kleinen Insel, eher einer Schäre, etwas was wohl kaum ein Stein sein konnte. Ein Blick durchs Zoom bestätigte den Verdacht, dort sass ein Seeadler. Das Wetter war windig und zum Glück konnte ich aus dem Auto fotografieren. Hoffentlich gibt es auch in Zukunft weitere Momente, um den majestätischen Seevogel beobachten zu können.

Weissschwanz-Seeadler in einiger Entfernung auf einer Schäre bei Flokalundur. 18.09.2019

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