Färöer Teil 2 – unberührt, unbeschädigt, unverdorben

Unberührte Küste bei Velbastadur auf Streymoy mit Schaf und Blick auf Koltur. 30.04.2018

Eigentlich haben die Tourismusverantwortlichen von Visit Faroe Islands für die Werbekampagne das Wort „unspoiled“ zuerst erwähnt und Leo übersetzt den Begriff mit unberührt, unbeschädigt, unverdorben. Auf dieser Webseite widmete sich Teil 1 „unexplored“ und „unspoiled“ folgt jetzt. Tatsächlich hat man auch nach einem kurzen Aufenthalt auf den Färöern das Gefühl, als sei hier die Welt wirklich noch in Ordnung. Leider kann ich zur Zeit nicht mit viel Färöer-Erfahrung aufwarten, aber was ich sehen und erkunden durfte, gab mir ein gutes Gefühl, mindestens im Moment! Auch habe ich längst noch nicht alles gesehen, der Blick auf die Karte lässt mich vermuten, dass es aber noch viele wirklich unberührte Ecken zu entdecken gibt.

Die Färöer Inseln sind genau wie Island vulkanischen Ursprungs, aber sie sind älter und man schätzt ihr Alter auf 60 Millionen Jahre, während Island nur 20 Millionen Jahre alt oder dreimal jünger ist. Auf den Färöern gibt es keinen aktiven Vulkanismus mehr. Man sieht keine Krater und Lavafelder wie beim westlichen Nachbarn, aber Basalt ist auch das hauptsächliche Baumaterial und der Schichtaufbau ist wie in den West- und Ostfjorden Islands gut erkennbar. Die Inseln ragen teilweise schroff aus dem Atlantik, aber bestechen durch die Grasvegetation, welche bis zu den Bergspitzen reicht,  im Sommer ganz grün ist, Ende April wechselte die Farbe gerade von gelblich-braun zu grün. Die nördlichen Inseln sind sehr gebirgig, der höchste Gipfel Slaettatindur ist 882 Meter hoch. Genau wie andere Berge kann man diesen besteigen und es gibt detaillierte Wanderinformationen dazu. Auf den südlichen Inseln sind die Berge gemäss den Angaben der Bewohner weniger hoch und weniger steil abfallend. Betrachtet man die Karte, ist im Norden wirklich auffällig, wie sich die hohen Berggipfel am äusseren Rand der Inseln befinden, um dann an einem schmalen Grat wirklich steil in den Ozean abzufallen. Das war minunter eine meiner Vorstellungen der Färöer, welche ich vor der Reise mitbrachte und welche bereits auf dem Anflug bestätigt wurde.

Wie in Teil 1 beschrieben, ist die Erschliessung seit einigen Jahren in vollem Gange. Noch immer gibt es insgesamt wenige Strassen. Diese führen in die bestehenden Ortschaften, viele davon waren lange nur mit dem Boot zu erreichen. Ausser auf der Insel Eysturoy hat man kaum die Möglichkeit mit einem Bus oder im Mietwagen eine wirkliche Rundfahrt zu machen. Die Strassen enden oft im äussersten Ort. Die Unberührtheit dürfte teilweise auf diesen Umstand zurückzuführen sein, verbunden mit der kleinen Bevölkerungszahl von 50’000 Einwohnern und den doch verhältnismässig wenigen Touristen. Für den Besucher ist diese Unberührt- und Ursprünglichkeit eine wahre Wohltat! Es gilt abzuwarten, wie sich weitere Strassen- und Unterwassertunnels und eine wachsende Zahl an Touristen auf diese unbeschädigten Inseln auswirken werden. Es gibt wunderschöne Wege durch die Grasvegetation, welche zu Spaziergängen und Wanderungen einladen, wie zum Beispiel in Gjogv im Norden hinauf an den Klippenrand, wo im Sommer viele Vögel inklusive Papageitaucher zu beobachten sind oder bei Gasadalur vom Mulafossur Wasserfall in die Ortschaft. Solange diese Wege im nicht selten feuchten Wetter wenig frequentiert werden, können sie sich wieder erholen, wandern dort aber viele Leute durch, werden die Färinger diese Wege befestigen müssen. Auf der Insel Mykenes dürfen Touristen nur mit einem Guide unterwegs sein, was dem Schutz der Landschaft sehr dienlich ist. Diese Insel ist bekannt im Sommer beliebt für seine Vogelwelt. Ob es weitere solche Plätze gibt, entzieht sich meinem Wissen. Der Nationalvogel der Färöer ist der Austernfischer, den man auch in Island trifft. Ende April waren diese Vögel schon überall zu beobachten und die Paarungszeit dürfte kurzum gestartet haben.

Austernfischer, Nationalvogel der Färöer, hier im Saksuntal. 30.04.2018

Insgesamt sieht man eher wenige Landmaschinen bei den Bauernhöfen. Das Klima und die Topografie erschweren erfolgreiche Arbeiten in der Landwirtschaft. Für die 72’000 Schafe, die Kühe und nicht sehr zahlreichen Pferde braucht es im Winter Heu. Ab und zu sind kleine Siloballen zu sehen, aber ein guter Teil des Heus wird an speziellen Drahtzäunen getrocknet und bei den Ställen aufbewahrt. Ackerbau gibt es nur ganz wenig und Ende April nutzten diverse Inselbewohner das schöne Wetter, um auf ihre spezielle Art kleine Kartoffeläcker anzulegen. Viel mehr dürfte im nie richtig warmen Klima kaum möglich sein. Die Bauern sind darauf bedacht, dass das an die Ortschaften grenzende Weidegebiet zur Heuproduktion verwendet werden kann. An den Hängen verlaufen alte Steinzäune, welche die klare Grenze markieren, wo die Schafe vor und wo nach Mitte Mai weiden dürfen. Ab dem 15. Mai hat kein Schaf mehr etwas innerhalb der Steinmauern zu suchen und Touristen werden ausdrücklich gebeten, innerhalb der Steinmauern auf den Wegen zu bleiben, damit das Gras wachsen kann! Ausser Fischfabriken in den Hafenorten ist wenig Industrie auszumachen. Ab und zu sieht man einen Steinbruch für den Strassenbau. 23 Windräder, Wasserkraft und nicht gerade umweltfreundliche Dieselgenerationen versorgen die Inseln mit Elektrizität, aber nur wenige Stromleitungen sind sichtbar, die meisten sind in den Boden verlegt. Alle diese Faktoren helfen natürlich, die Insel unberührt, unbeschädigt und unverdorben zu behalten. Selbst im früheren geistigen und kulturellen Zentrum Kirkjubour traf ich kaum andere Touristen. Im Sommer und wenn ein Kreuzfahrtschiff im Hafen liegt, dürfte dies wahrscheinlich anders aussehen. Übrigens führt vom Stadtrand von Torshavn eine einfache, aussichtsreiche Wanderung nach Kirkjubour, für den Rückweg kann man den kostenfreien Stadtbus benutzen. Kurzfristig dürften auch andere beliebte Busausflugsziele wie Gjogv mit seinem in einer Schlucht gelegenen Naturhafen, der von hohen Bergen eingekesselte ursprüngliche Ort Saksun, die schönen Dörfer Bour und Gasadalur mit Kreuzfahrtschiffpassagieren kurzfristig überrollt werden. Diese sind bald weg und überlassen die Gebiete wieder den wenigen Bewohnern und ihren Schafen. Diverse Orte auf den Färöern fallen durch ein schönes Ortsbild auf, farbige oder alte teerschwarze Häuser, nur wenige Mehrfamilienhäuser (wenn überhaupt) und eine stattliche Zahl an Grasdächern ergeben den Eindruck von Ursprünglichkeit. Selbst in der Hauptstadt Torshavn sieht man verstreut zahlreiche Häuser mit Grasdächern. Auf unserer Reise hatten wir kurz vor der Abfahrt zum letzten Hotel beim Flughafen noch etwas Zeit und fuhren nochmals Richtung Kirkjuboer, zweigten aber nach dem Bergrücken Richtung Norden ab. Obwohl in Stadtnähe, befanden wir uns auf einer schmalen romantischen Strasse, auf welcher deutlich mehr Schafe als Fahrzeuge unterwegs waren. Diese Strecke werde ich bei einem nächsten Besuch bis ans Ende fahren, die Aussicht auf die Nachbarinseln Sandur, Hestur und Koltur ist grandios. Genau das ist sie, die Unberührtheit!

Fazit: Auf den Färöern findet man noch, was so mancher Reisender sucht. Dank einem guten Gleichgewicht zwischen der Anzahl Einwohnern und den Touristen ist es möglich, die Natur nicht zu sehr zu strapazieren und in ihrer Schönheit zu geniessen. Es wäre wünschenswert, dass sich die Färinger dessen bewusst sind und versuchen werden, diesen Zustand möglichst lange zu bewahren, vielleicht in Form einer Begrenzung der Besucherzahl und einer kontrollierten Tourismusbranche. Es ist nicht voraussehbar, wie sich allenfalls die Erschliessung der Erdölquellen im Meer auf die bis jetzt mehr oder weniger unbeschädigten Färöer Inseln auswirken würde. In Kürze folgt Teil 3 der Färöerserie.

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