Isländisch Moos und dessen Irrtum

Dekoration mit Isländisch Moos und Rentierflechten. 02.02.2019

Aktuell wird viel Advents- und Grabschmuck kreiert und man deckt sich vorgängig mit diversem Pflanzenmaterial ein, sei es bei einer Gärtnerei, im grossen Gartencenter oder im Supermarkt. Nirgends fehlt in der Auswahl neben Tannen- und Konifirenästen das bekannte Islandmoos oder Isländisch Moos. Wenn es denn dieses wäre! Man mag es gerne, es ist dekorativ und da getrocknet, bleibt es lange erhalten, so wie man es gekauft hat. Nur, es ist nicht Isländisch Moos, wie viele Leute und ganz Gewerbszweige glauben! Was um diese Zeit vielerorts im Angebot ist, sind die hellen Rentierflechten!

Rentierflechten in Verkaufsschachtel von Coop mit Aufschrift Islandmoos. 22.11.2022

Diesen Beitrag zu schreiben, veranlasste die Abbildung  einer Büchse Isländisch Moos Tabletten im Migrosmagazin.

Foto von Migrosmagazin mit Isländisch-Moos-Tabletten. 21.11.2022

Sofort erinnerte ich mich, wie oft ich unterwegs schon gefragt wurde, ob dies nun Isländisch Moos sei oder Reisegäste sagten: „Schau, hier hat es sehr viel Islandmoos“. Aber immer zeigten sie auf andere Pflanzen, entweder auf die hellen Rentierflechten, die in der Landschaft mehr auffallen oder aber auf die grossen Moosflächen, die ganze Lavafelder bedecken, wie zum Beispiel in der Feuerlava Eldhraun. Bei letzteren handelt es sich um Lavamoos oder genauer Zackenmützenmoos. Es ist diejenige Pflanze, die nach einem Ausbruch als erstes auf dem erkalteten Gestein zu wachsen beginnt. Später gesellen sich Blumen, Beerenstauden, Weiden- und Birkenzweige dazu. Die Farbe von Lavamoos wechselt häufig zwischen grau und grün. Dies ist nichts anderes als eine Feuchtigkeitsanzeige. Bei Trockenheit sind ganze Landschaftsstriche eher grau, hat es geregnet, zeigt sich alles innert kürzester Zeit in einem satten Grün, welches mir deutlich besser gefällt, auch wenn ich meinen Mitreisenden und mir keinen Regen wünsche.

Mit Lavamoos bedecktes Lavafeld Eldhraun. 08.09.2019

Dass die Leute eine falsche Vorstellung von Isländisch Moos haben, dürfte am Namen liegen, mir ging es beim Start als Reiseleiterin nicht besser. Ein netter mitreisender Botaniker klärte mich dezent auf. Unter Moos stellen wir uns doch eine weiche, etwas federnde Pflanzenschicht vor, genau wie beim Lavamoos, oder nicht? Islandmoos ist aber kein Moos, sondern es handelt sich um eine Flechte. Diese kann je nach Feuchtigkeit sehr grob oder nach dem Regen etwas weicher sein. Hineinlegen möchte man sich da eher nicht. Zudem ist Isländisch Moos meistens braun bis dunkelbraun oder sogar schwarz und in einer Tundrenlandschaft eher schlecht zu sehen. Oft findet man Isländisch Moos gemischt zwischen Rentier- und anderen hellen Flechten, die auffallen. Genau wie es in der Landschaft gemischt zu finden ist, habe ich mittlerweile Rentierflechten und Islandmoos gesammelt, über dem Radiator getrocknet und in einer festen Dose in die Schweiz gebracht, für Dekorationen natürlich. Die getrockneten Pflanzen wären zermahlen, wenn man sie nur in einer Plastiktüte in den Koffer gibt und zu Hause nicht mehr verwendbar.

Isländisches Moos heisst in Island „fjallagras“. Bei Wikipedia findet man die lateinische Bezeichnung „Cetraria islandica“, aber Islandmoos wird auch als auch als Irisches Moos (nicht Irisch Moos), Lichen Islandicus, Blutlungenmoos, Fiebermoos, Hirschhornflechte oder in Österreich als Graupen bezeichnet. Genau wie auf den Bildern zu sehen ist, verzweigen sich die Triebe geweihartig. Wie braun die Pflanze ist, hängt von der Lichtexposition aus, sie schützt sich durch braune Pigmente vor der Sonne. Isländisch Moos kann also durchaus auch heller und grünlicher sein, aber sieht trotzdem nicht aus wie Rentierflechten.

Bereits in früheren Jahrhunderten entdeckte man die heilende Wirkung von Isländisch Moos und es gibt längst nicht nur die Migros-Pastillen. Vorwiegend wird es zur Linderung von trockenem Husten und Entzündungen in Mund und Rachen angewendet. Deshalb wird es auch in Hustentee beigemischt. Der Flechte schreibt man aber auch weitere heilende Wirkungen zu.

Wo genau in Island Isländisch Moos gesammelt wird, entzieht sich meiner Kenntnis. In Skandinavien, auf dem Balkan und in Russland wird gemäss Wikipedia im Spätsommer und Herbst bei trockenem Wetter gesammelt. Um die Heilstoffe der Pflanzen zu erhalten, sollte das Kraut langsam an einem abgedunkelten Ort getrocknet werden.

In Island wird Fjallagras vielseitig verwendet. Man kann Teebeutel, Tüten für Suppe kaufen, es wird Salz und Schnaps beigemischt und selbst in der gehobenen Küche verwendet. 

Ein Kränzchen winden möchte ich aber noch den Bettelberg-Bahnen an der Lenk im Berner Oberland. Völlig überrascht entdeckte ich in der Mittelstation eine vorbeifahrende Gondel, welche mit Isländisch Moos angeschrieben war. Auf dem zugehörigen Bild, war die richtige Flechte abgebildet. In letzter Sekunde konnte ich ein Bild durch die Scheibe machen. Die Pflanze kommt schliesslich bei uns in den Alpen auch vor.

Gondel der Bettelbergbahn an der Lenk. Das Pflanzenbild passt zum Titel. 21.07.2022

Sieht man sich hingegen bei Wikipedia Definition und Informationen zur Echten Rentierflechte, lat. Cladonia rangiferina, an, steht schon in der ersten Zeile, dass diese irrtümlicherweise auch als Isländisch Moos bezeichnet wird.

Trotz allfälligem Irrtum wünsche ich nun viel Spass beim Herstellen von Adventsdekoration, sei es mit Rentierflechten oder echtem Isländisch Moos und eine stimmungsvolle, besinnliche Adventszeit.

Einen kleinen Tadel gibts aber auch für Wikipedia. Im Text von Cetraria islandica unter Vorkommen steht „… und in Island (Polster bis zu 20 cm Dicke), wo sie eine Gefahr für Wanderer darstellen, da sie Spalten im Lavafeld verdecken“ – mit dieser Beschreibung ist definitiv Lava- oder Zackenmützenmoos gemeint!

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