Vulkanausbruch Nr. 3 auf Reykjanes inklusive Buchtipp – updates

Das Buch Islandfeuer liegt auf Lavasteinen vom ersten Ausbruch am Fagradalsfjall. 08.07.2023

Innerhalb von zweieinhalb Jahren hat auf der Halbinsel Reykjanes im Gebiet des Fagradalsfjall zum dritten Mal ein Vulkanausbruch begonnen. Ob das Buch, welches ich zur Zeit in der Schweiz lese, als Fernbedienung für eine Eruption dient? Islandfeuer könnte aktuell nicht besser passen. 

Am 10. Juli öffnete sich um 16.40 Uhr isländische Zeit eine ungefähr 200 Meter lange Spalte, nachdem man einige Tage Erdbebenschwärme mit Tausenden von teils heftigen Erdstössen registriert hatte. Mit den Ausbrüchen von 2021 und 2022 konnte man bereits viel Erfahrung sammeln und die Wissenschaftler sagten die erwartete Ausbruchsstelle mehr oder weniger voraus. Nun ging es also wieder los, nach Geldingadalir und Meradalir nun am Fuss des Bergs Litli Hrutur (übersetzt kleiner Widder). Viele Vulkanfans waren seit die Erdbebenserien begonnen haben, bereits am Warten, zahlreiche machten sich schon auf ins vermutete Gebiet. So ist es nicht erstaunlich, dass neben den wieder aktivierten Webcams, welche auf der ganzen Welt verfolgt werden, auch Augenzeugen mit Mobiltelefonen, Kameras und Drohnen vor Ort waren. Die Nachricht, erste Bilder und Videos verbreiteten sich entsprechend schnell. Die Behörden waren ebenfalls vor Ort und entschieden aufgrund der Heftigkeit der Eruption in den ersten Stunden und der gemessenen hohen, schädlichen Gaskonzentrationen, die Wege zur Ausbruchsstelle für Besuchende zu schliessen. Auf den Halbinseln Reykjanes und Snaefellsnes wurden Haushalte aufgefordert Türen und Fenster zu schliessen. Es gelang den Behörden nicht, die Ausbruchsstelle völlig frei von Personen zu haben, Influenzer und andere Schaulustige schlichen sich an den Posten vorbei und wollten zu den ersten gehören, die Bilder, Selfies und Videos liefern konnten, ohne Rücksicht auf die lauernden Gefahren. In den sozialen Medien wurden immer und immer wieder die selben Bilder gepostet. Nach ersten Angaben soll die Eruption das Zehnfache an Magma gefördert haben im Vergleich zum ersten Ausbruch. Videos zeigen schnellfliessende, dünnflüssige Lava, aber auch viel brennendes Moos rund um die Ausbruchsstelle.

Seit Ausbruchsbeginn wächst das Lavafeld, aktuell scheint sich Lava aus einem einzigen ins Gebiet zu ergiessen und die Senke aufzufüllen. Ein unterirdische Magmatunnel ist gemäss Wissenschaft bereits bis zu Keilir vorgedrungen, dem formschönen Kegelberg, welcher die Silhouette der Halbinsel Reykjanes prägt und nach Süden hin von meinem Ferienhaus aus zu sehen ist. Namhafte Vulkanologen erwähnen in Interviews immer wieder die Möglichkeit von neuen Spalten und Kratern, die  über diesem Tunnel entstehen können. Alle sind gespannt, wie es mit dem Ausbruch weitergeht, nimmt er ab, bleibt er längere Zeit konstant oder gibt es, wie soeben erwähnt weitere Eruptionsstellen. Wie bei den beiden früheren Ausbrüchen dürfte es sich um direkt aus dem Erdmantel aufdringendes Magma handeln, eine Magmakammer scheint es keine zu geben. 

Hier kommt nun auch das Buch ins Spiel, welches ich im Mai von Freunden zum Geburtstag erhielt und just am Lesen bin, Islandfeuer von Sigridur Hagalin Björnsdottir (Wikipedia). Während meiner Zeit als Geografielehrerin, aber auch seit ich in Island Reisen leite, konnte ich einiges an Wissen über Vulkane gesammeln, mit dem Buch wird dieses gerade erweitert. Es ist ist nicht nur ein naturwissenschaftliches Buch, sondern auch ein Roman, bei dem es um Liebe geht, aber auch um die Zänkereien von Politik und Wissenschaft, wer im Katastrophenfall das Sagen hat. Das Buch wurde 2020 in isländischer Sprache herausgegeben, damals gab es sporadische Meldungen über Landhebungen auf der Halbinsel Reykjanes. Hauptereignis ist ein fiktiver, untermeerischer Ausbruch vor dem südwestlichsten Zipfel Islands, welcher viel Asche in der Umgebung hinterlässt. Erinnerungen an Eyjafjallajökull werden wach, die dort gemachten Erfahrungen dürften eingeflochten worden sein. Aber auch der Ausbruch von 1973 in  Heimaey wird erwähnt, inklusive dem Vater eines guten Freundes, der seine Idee mit Abkühlung von Lava durch Meerwasser dort erfolgreich testen konnte. Wenn der Titel Islandfeuer heisst, dürfen wir wohl nach dem dritten Ausbruch von neuen Reykjanesfeuern reden.

Diesen Abschnitt schreibe ich nun zum dritten Mal um, die Ereignisse ändern schnell! Am 11. Juli gab es Neuigkeiten von den Vulkanologen. Bereits nach kurzer Zeit liess die Intensität des Ausbruchs stark nach und gleicht seither dem Niveau der früheren Ausbrüche. Auch 2022 sprach man zu Beginn von einer viel grösseren Eruption, die sich nach kurzer Zeit abschwächte, schon nach 17 Tagen ging der Ausbruch zu Ende. Alle Interviews mit Personen der Wissenschaft sind deshalb eher in der Konjunktivform verfasst und die Angaben ändern entsprechend häufig. Endgültig kann niemand sagen, wie dieser Ausbruch verlaufen wird. Am Nachmittag des zweiten Tags wurde entschieden, die Ausbruchsstelle für Besuchende freizugeben. Gleichzeitig wurde auf die lange Wanderung aufmerksam gemacht und die Gefahr von hohen, schädlichen Gaskonzentrationen und dass es jederzeit ohne viel Vorwarnung Ausbrüche in neuen Spalten oder Kratern geben könne. Wer daran denkt, zur neusten Lava zu wandern, sollte sich der Gefahren bewusst, fit und geländetauglich sein, genügend Verpflegung und Wasser, sowie passende Kleider mitnehmen, um auch gegen Regen und Kälte gewappnet zu sein. Nachdem das Ausbruchsgebiet  geöffnet wurde, zählte man innert 24 Stunden ungefähr 3000 Personen, die bei der neuen Lava waren. Leider liessen es sich die Leute auch dieses Mal nicht nehmen, sich über das erst gerade entstandene, noch warme und leicht brüchige Gestein zu gehen, sich sogar auf dem Kratarrand  fotografieren zu lassen, scheint im Trend zu sein. Familien waren dort und setzten auch ihre Kinder den Gefahren und der Gasbelastung des Ausbruchs und des brennenden Mooses aus. Dagmar Trottler schrieb zu ihrem Artikel in Iceland Review als Einleitung zum Facebook Post: „Es kam wie es kommen musste, der Zugang zum Litli-Hrutur wird bis Samstag gesperrt.“ Verantwortlich für die Sicherheit an der Ausbruchsstelle sind Zivilschutz und Polizei von Sudurnes. Nach nur wenigen Stunden mussten die Behörden feststellen, dass sie den Ansturm von Touristen nicht bewältigen konnten und waren auch nicht gewillt deren fahrlässiges Verhalten akzeptieren – das Gebiet wurde bis mindestens Samstag, 15. Juli geschlossen. Die Gründe liegen auf der Hand, es sind die bereits beschriebenen Gefahren, das Wetter mit ungünstigem Wind und der Personalmangel bei den Rettungsmannschaften. Hauptverantwortlich für den Entscheid ist aber  die zunehmende Unvernunft der Leute an der Ausbruchsstelle! Nach wie vor gibt es Personen, welche sich der Schliessung widersetzen. Es ist zu hoffen, dass sie nicht so dreist sein werden, um Hilfe zu bitten, wenn es nötig sein sollte. Der neue Vulkanausbruch ist gleichzeitig Segen und Fluch. Segen, weil es wiederum danach aussieht, als kämen weder Menschen noch Gebäude oder Infrastuktur zu schaden. Ein Fluch aber ist das Verhalten zahlreicher Personen am Ausbruch. In der Zwischenzeit versuchen sich die Behörden ein besseres Bild zu machen und Lösungen zu finden. Mit dem Rettungshubschrauber wurden bereits viele Tonnen Wasser zum Ausbruch geflogen, um die Moosbrände zu löschen. Der starke Wind dürfte diese leicht weitertragen, was man zu verhindern versucht. 

Informationen, ob das Gebiet offen oder geschlossen ist, gibt es unter www.safetravel.is, einen wertvollen Wetterbericht findet man bei  www.blika.is.

Selbst konnte ich bis jetzt keine Bilder vom aktuellen Ausbruch machen, habe aber freundlicherweise einige von Matthias Vogt von Volcano Heli erhalten – herzlichen Dank dafür!

In den verschiedenen Medien gibt es aber bereits unendlich viel Material, selbst von der SRF Tagesschau vom 13. Juli. Der Beitrag schien bei Ausbruchsanfang gemacht worden zu sein und war nicht auf dem neusten Stand. Es wurde nicht erwähnt, dass die Intensität des Ausbruchs nachgelassen hat und die Ausbruchsstelle vorerst für Besuchende gesperrt wurde. Auch auf Satellitenbilder ist der Ausbruch zu erkennen, wie der Link von MBL zeigt. Eine Art Live-Ticker zum Ausbruch beim Litli-Hrutur bietet RUV an.

Ich bleibe und bin gespannt, wie es weitergeht mit dem Ausbruch, im Buch, mit den Entscheidungen der Behörden… und werde allenfalls ein Update dazu schreiben. Anfangs August werde ich auch wieder auf der Insel sein.

UPDATE 18.07.:

Nachdem das Gebiet um den Ausbruch für einige Tage geschlossen war, wurde es gestern wieder geöffnet. Der einzige Weg ist die markierte Route E, am besten parkiert man auf dem P2 Parkplatz. Die Warnungen von www.safetravel.is sind nach wie vor massiv und ein grosses Gebiet rund um den Krater ist eine verbotene und zu gefährliche Zone! Die Situation wird immer wieder neu beurteilt, bevor man sich zur Ausbruchsstelle aufmacht, informiere man sich auf den entsprechenden Webseiten und bereite sich gut vor.

Das oben beschriebene Buch Islandfeuer konnte ich nun auch fertig lesen. Es endete mit einer apokalyptischer Katastrophe, die so hoffentlich nie eintritt…

UPDATE 19.07.: 

Zahlen: Mittlerweile kennt man mehr Zahlen zum Ausbruch. In den vergangenen Tagen wurden 13 Kubikmeter Lava pro Sekunde gefördert, also doch nicht viel weniger als in den ersten Tagen. Die Lavadecke war am 18. Juli 8,4 Millionen Kubikmeter gross und erstreckte sich gemäss Satellitenmessungen über 0,83 Quadratkilometer, sie ist zehn Meter dick, an gewissen Stellen bis zwanzig Meter und sie verschiebt sich pro Tag um 300 bis 400 Meter. All dies ähnelt sehr dem Ausbruch von 2022 im Meradalir.

Kollabierte Kraterwand: 

Nachdem der vulkanische Tremor um 22 Uhr des Vortags zugenommen hatte, füllte sich um 03. 45 Uhr der Krater mit mehr Lava. In der Folge stürzte der Krater am Südwestrand ein und grosse Lavamengen ergossen sich daraus. Der Lavafluss änderte schnell seine Richtung, nun fliesst alles gegen den Berg Litli-Hrutur in Richtung Westsüdwest. Von den Webcams gibt es attraktive Bilder und Video des Ereignisses, siehe Visir.is.

Unfälle: Leider haben die Rettungsmannschaften nach wie vor alle Hände voll zu tun mit erschöpften oder verunfallten Personen, wie Iceland Review berichtet. Auch am Vortag liessen es sich Leute nicht nehmen, sich über die neue Lava dem Krater zu nähern. Polizisten verfolgten sie eine Weile, aber als ihre Gasgeräte alarmierten, kehrten letzere um. Die Rettungsleute riskieren ihr Leben nicht für Personen, die sich aus Fahrlässigkeit und Dummheit in Gefahr begeben. Bricht die Lavadecke ein oder kollabiert der Krater, haben sie bei 1200 Grad Celsius keine Chance!

Ab 17 Uhr geschlossen:

Die Behörden haben bekannt gegeben, dass das Ausbruchsgebiet heute, 19. Juli um 17 Uhr geschlossen wird, da schlechtes Wetter mit schlechter Sicht angekündigt ist. Die Gefahr wird erneut zu gross. Es ist zu hoffen, dass bei Besuchswilligen ein Verständnis dafür da ist und man sich daran hält…

UPDATE 21.07.:

Während kurzer Zeit verbreitete sich am Vortag die Meldung, dass ein neuer, deutlich kürzerer Weg zum Ausbruch ab Vigdisarvellir geöffnet würde. Durch die sozialen Medien geriet diese Meldung schnell in Umlauf. Die Behörden ratendringend davon ab und begründen es wie folgt: Es gibt weder einen markierten Weg, noch sind Rettungsteams vor Ort und es hat weder Parkplätze noch Toiletten. Zudem ist die Wanderung von dort zwar kürzer, aber deutlich schwieriger vom Gelände her. Ortsunkundige  sind gefährdet, sich zu verlaufen und/oder zu verunfallen. Es gab gestern auch eine Debatte um Weg A, der vor allem 2021 benutzt wurde. In Geldingadalir gingen zahlreich Leute dann einfach weiter bis man einen Blick über den aktuellen Ausbruch hatte. Die Behörden realisierten, dass zunehmend mehr Menschen diesem Pfad folgten. Die Wanderung auf dem Weg A ist ebenfalls lang und man muss mehr Höhendifferenzen überwinden.

UPDATE 23.07.:

Der Polizeichef von Sudurnes liess heute via Medien verlauten, dass ab heute Parkplätze 1 und 2 bei guten Wetterverhältnissen ab 10 Uhr geöffnet werden.  Wer eher abends zur Ausbruchsstelle wandern will, muss vor 18 Uhr losgehen, ab dann werden die Routen wieder geschlossen. Aktuell ist es für die Behörden schwierig, jeden Tag genügend Personen für die Rettungsteams zu finden. Auch scheint es immer noch renitente Personen unterwegs zu haben, welche sich den Anweisungen der Rettungsteams und der Polizei widersetzen und sich ungeachtet der Warnungen ins Gefahrengebiet begeben. Es ist zu hoffen, dass diese im Notfall darauf verzichten werden, um Rettung zu bitten. Leider ist mittlerweile auch von Verschmutzung der Wegstrecken zu lesen, von liegengebliebener Notdurft inklusive Toilettenpapier. Schade, ziehen nicht alle mit, das Ausbruchserlebnis sicher zu geniessen und die Natur gleichzeitig sauber zu halten…

Wer die Ausbruchsstelle bei Litli Hrutur besuchen möchte, folge den Anweisungen von www.safetravel.is, lese alles sorgfältig durch und entscheide, ob man fit genug ist für dieses Abenteuer und ob das Wetter geeignet ist dazu (www.blika.is). Verschiedene Veranstalter bieten geführte Touren an, neuerdings auch Transfers zu den Parkplätzen 1 und 2 ab/bis Reykjavik. Die Anbieter müssen sich ebenfalls immer wieder den aktuellen und ändernden  Situationen anpassen. Wem die Wanderung körperlich zu anspruchsvoll ist, empfiehlt sich ein Helikopterflug, der frühzeitig gebucht werden muss.

Unser Tipp: Man verlasse sich zur Sicherheit auf die offiziellen Angaben und nicht auf diejenigen in den sozialen Medien. Letztere sind zahlreich, teilweise widersprüchlich und der Wahrheitsgehalt nicht geprüft werden!

4 Kommentare

  1. Danke herzlich Marianne für deinen informativen Bericht – seit dem Buch kann ich mir das sehr besser viel u dramatischer vorstellen!! Unglaublich ist nur die Unvernunft u Fahrlässigkeit der Menschen….
    Herzlich Ursula

    • Herzlichen Dank für deinen Kommentar liebe Ursula. Ich bin sehr mit dir einig, verfolge auch alles immer wieder. Es wird so viel geschrieben, gerade in den sozialen Medien. Dies hat nicht nur gute, sondern auch gefährdende Auswirkungen. Liebe Grüsse Marianne

  2. Danke Marianne interessanter Bericht versuche den Nachrichten über den Vulkanausbruch immer zu folgen und dank dir natürlich auf den besten Stand😊lieben Gruss Vreni

    • Danke für deinen Kommentar liebe Vreni! Ja es ist und bleibt spannend in Island. Man kann fast nicht schnell genug darüber schreiben und ich versuche immer zuerst etwas zu recherchieren, bevor ich mich an den Text mache. Wer weiss, ob ich anfangs August aus meinem Südfenster oder vor dem Haus einen Blick auf Lavafontänen erhaschen kann. Liebe Grüsse Marianne

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