Aufgrund von Corona-Reiseverschiebungen und ausgerüstet mit einem etwas höher gesetzten 4×4 Fahrzeug ergab sich die Möglichkeit, einmal neue Routen zu erkunden, nicht immer sicher, ob es dann auch wirklich machbar ist. Auf den etwas detaillierten Karten ist eine Piste zur Laki-Spalte markiert, welche nicht nummeriert ist und nicht mal eine F-Nummer hat. Eventuell kennen sie die einen oder anderen als „Thveraleid“, da sie bei der Farm Thvera startet. Bereits mehrmals und auch mit Gruppen fuhren wir die übliche Route, die 50 Kilometer lange F206. Je nach Wasserstand der zu querenden Flüsse und Bäche, ist diese mit einem gewöhnlichen 4×4 machbar, die unnummerierte Piste bedarf aber eines wirklich guten Fahrzeugs, wie sich auf der Fahrt herausstellte. Die Karte liess die Schätzung zu, dass diese Route etwas kürzer ist, aber wegen der schlechteren Piste braucht diese mehr Zeit. Es ist immer hilfreich sich den Kilometerstand ab Ringstrasse zu merken. Für diese Erkundung zweigten wir ungefähr sechzehn Kilometer östlich von Kirkjubaerklaestur von der Strasse Nr. 1 nach Norden ab. Vorbei an der Farm Thvera waren wir bald einmal im östlichen Eldhraun Lavastrom. Typisch für diese Region ist das breite Tal, welches von grünen Bergflanken der voreiszeitlichen Küstenlinie umgeben ist. Über einige Kilometer verläuft die Strasse flach, mit einigen Kurven und führt beidseitig durch die, mit dickem Moos bedeckte Lava, ab und zu sieht man den Fluss Ödulbruara. Es lohnt sich zu stoppen und den Wasserverlauf genauer anzuschauen. Unschwer lässt sich erkennen, dass Wasser auch unter der Lava fliesst und an einigen Stellen austritt und kleine Seen bildet. Besonders attraktiv sehen einige markante Trolle mit ihren lustigen Grasbüscheln auf dem Kopf aus. Man lasse der Fantasie hier freien Lauf… Beim genaueren Hinschauen realisiert man, dass hier ab und zu hier viel mehr Wasser fliesst als bei der Fahrt am 21. Juli. Diese Route dürfte demnach nicht immer passierbar sein. Definitiv ist die Strecke nicht sehr bekannt, wir begegneten nur wenigen Leuten.
Vom Sagen her, wussten wir von einer Höhle, welche an der Strecke liegt, aber wir hatten keine Ahnung, wo diese liegt. Das beste Rezept ist immer, Einheimische zu fragen. Meistens tauscht man sich auf solchen Strecken sowieso kurz aus und erkundigt sich nach dem Streckenverlauf und -zustand. Tatsächlich fanden wir so auch die Höhle auf der rechten Seite. Ab einem natürlichen, unmarkierten Parkplatz führt ein kurzer Fussweg dorthin. Ob die Höhle weit hinein in die Lava führt, liess sich nicht erkennen, aber ohne entsprechende Ausrüstung macht eine genauere Erkundung auch keinen Sinn. Bereits der Eingangsbereich der Höhle ist beeindruckend und man kann sich die fliessende Lava fast vorstellen, welche hier beim Lakiausbruch von 1783 flüssig und glühend durchfloss. Es hat teilweise auch grünes Moos auf dem Gestein und diese Höhle dürfte ab und zu unter Wasser stehen.
Bis hier und noch weitere Kilometer durch die Feuerlava Eldhraun ist die Piste erstaunlich gut und auch für mich nicht schwierig zu befahren. Da kommt die Frage auf, wer diese angelegt hat und so gut in Stand hält. Noch wussten wir nicht, was folgen würde, aber spannend war es. Das Gelände beginnt zu steigen, ungefähr nach 25 Kilometern, am Fusse des 665 Meter hohen Berges Miklafell, gelangt man zu einer Verzweigung. Nach rechts führt es zu den bereits sichtbaren, am Rande der Lava gelegenen Gebäuden Miklafell. Dieser Abstecher interessierte natürlich. Alles schien verlassen, einige einfache Gebäude sind eingestürzt. Benutzt werden sie höchstens, wenn im Herbst die Schafe zusammen getrieben werden. Aber zum grossen Erstaunen befindet sich vor dem weissen Gebäude eine alter, rostiger Flugzeugmotor. Ein Schild in Isländisch erklärt, dass dieser Motor zu einer P-39 Airocobra gehörte, welche vom Piloten Leutnant J.E. Hoffmann im Oktober 1942 von Höfn nach Reykjavik geflogen werden sollte. Das Flugzeug war um 12.55 Uhr gestartet und wurde um 15.10 Uhr in Reykjavik erwartet. Die Maschine kam dort nie an und eine grosse Suchaktion wurde eingeleitet, welche vorerst erfolglos blieb. Erst zwei Jahre später, im Juni 1944 entdeckten Schafbauern zufällig das zerstörte Flugzeugwrack, in welchem sich auch noch die Überreste des Piloten befanden. Eine Gruppe Soldaten machte sich mit den Bauern auf zum Flugzeugwrack, sie entnahmen den Motor, den sie wohl noch verwenden wollten und begruben das zerstörte Flugzeug. Die Überreste des Piloten nahmen sie mit nach Reykjavik. Auf dem Weg gerieten sie in Nebel und entschieden sich, den Motor bei Miklafell zurück zu lassen. Dort wurde er nie abgeholt und rostet seit damals vor sich hin (Webseite Stridsminjar). Es ist doch immer wieder überraschend, auf was man unterwegs stösst!
Zurück bei der Abzweigung gings danach auf der nach Norden führenden Piste weiter. Diese wurde nun zeitweise deutlich schlechter und schwieriger zu befahren. Zweifel kommen auf, ob Laki wirklich über diese Route erreicht werden kann. Ein Van mit österreichischem Nummernschild kam bereits zurück. Aber die beiden Superjeeps, denen wir noch begegneten, konnten wir befragen. Die beiden Isländer meinten, es müsste gehen. Der eine stammt aus der Region und erzählte, dass die Strasse zu Miklafell für den Schafsabtrieb nötig ist und deshalb so in Stand gehalten wird. So setzten wir unsere Fahrt fort, das Gelände steigt weiter an. Einige Abschnitte waren gut, aber ab und zu waren es grobe Steine eines trockenen Flussbetts, dann wieder tiefe Furchen, die überwunden werden mussten. Immer wieder neue Anhöhen und anschliessende Ebenen, einmal grün, einmal steinig, wechselten sich ab. Laki war sehr lange Zeit nicht in Sicht. Die auf der Karte eingezeichneten Seen waren von der Piste aus nicht auszumachen. Gemäss dem lokalen Farmen soll es dort weitere Höhlen geben. Er selber wollte in einem der Seen fischen, war aber nicht erfolgreich. Nun lag der Berg Blaengur vor uns, an dessen Fuss auf der rechten Seite gibt es auch eine Hütte. Die Furt dort war zum Glück nicht schwierig. Nochmals zwei steilere Anstiege und dann erreichten wir den Vatnajökull Nationalpark, die westliche Kraterreihe sowie der 812 Meter hohe Berg Laki lagen vor uns. Die Piste führt genau Laki entlang und wir erreichten die F206 und den Parkplatz mit der Rangerstation von Laki schnell. Vom oberen Parkplatz wandert man in etwa 30 Minuten zu Fuss steil auf den Berg, von wo die wirklich eindrückliche Reihe der ungefähr 130 Krater Lakagigar bestens zu sehen waren. Im Osten liegt dahinter der Gletscher Vatnajökull, im Westen der Myrdalsjökull. Die Seen Lamba- und Kambavatn, Langisjor sowie die beiden, welche man auf der Fahrt nicht sehen konnte, zeigten sich ebenfalls. Auch die Berge Sveinstindur und Gjatinder konnte man erkennen, die Feuerspalte Eldgja an der F208 liess sich erahnen. Aber dies alles befindet sich auf der anderen Seite des Flusses Skafta, entlang dessen die Hauptlava bei der gewaltigen Eruption von Laki 1783 floss. Geologie und Vulkanologie sprechen hier Bände. Es ist offensichtlich, dass sich damals die Spalte zuerst im Westen öffnete und erst später östlich von Laki. Die Lava, welcher wir entlang fuhren, floss dann auch Richtung Südosten ab. Der Berg Laki scheint älter zu sein und dürfte nicht während diesem Ausbruch entstanden sein. So erklärt sich auch das ganz andere Aussehen. Was ist es für ein unglaubliches Gefühl, dort oben zu stehen und die ganze Szenerie einzusaugen. Zum Glück hatte es keinen Nebel!
Am 8. Juni 1783 öffnete sich nach einer Serie spürbarer Erdbeben die Lakispalte. Es sollte der grösste Ausbruch der letzten und folgenden Jahrhunderte werden! Gase vergifteten Weiden und Gewässer, der grösste Teil des Viehs verendete und die isländische Bevölkerung wurde in der Folge stark dezimiert. Jon Steingrimsson, der Pfarrer von Kirkjubaerklaustur dokumentierte alles so gut er konnte, was später half, vieles nachvollziehen zu können. Auf einer Länge von 25 Kilometern entstanden 130 Krater, welche 15 Kubikkilometer Lava förderten. Das heisse Gestein liess die Flüsse verdampfen, während es sich durch die Flussbette Richtung Meer wälzte. Die lokale Bevölkerung suchte Schutz in der Kirche von Jon Steingrimsson, der Ort selbst wurde vom Lavafluss verschont. Die Folgen des Ausbruchs waren weltweit zu spüren, die verfinsterte Atmosphäre führte rund um den Globus zu Missernten und heute weiss man, dass unter anderem die Französische Revolution beschleunigt wurde. Eindrücklich zeigt dies der Film, den man in der Skaftarstofa, dem Nationalparkcenter in Kirkjubaerklaustur in verschiedenen Sprachen anschauen kann. Mehr Detailinformationen zum Ausbruch gibt es auf Wikipedia. Umso eindrücklicher wirken denn auch die mehr als 20 Kilometer Ringstrasse durch das westlichen Eldhraun. Die östlichere Lava, welche entlang des Hverfisfljots nach Süden floss, habe ich nun auch genauer kennengelernt. Das Erlebnis möchte ich nicht missen!
Obwohl die weitere Route für mich nicht neu war, wollte ich sie gerne fahren. Der 26 Kilometer lange Ring um die Lakikrater, auf vergleichsweise guter, der oft sandigen Piste F207 mit nur einer Furt lohnt sich. Speziell Zeit nehmen sollte man sich für den, mit einem See gefüllten Krater Tjarnargigur. Ab dem Parkplatz erreicht man die Plattform mit Sicht über den Kratersee in wenigen Minuten, selbst eine längere, markierte Wanderung lässt sich unternehmen, welche mit einem steilen Abstieg beginnt. Weiter entlang der Route kann man in der Hütte Blagil übernachten, auch Campingmöglichkeit wird angeboten.
Die 50 Kilometer lange Fahrt hinunter zur Ringstrasse auf der F206 war nun deutlich einfacher zu befahren. Die zu überquerenden Gewässer führten nicht sehr viel Wasser und waren gut machbar. Hier hatte es nun doch etwas mehr Fahrzeuge unterwegs. In diesem speziellen Sommer waren es meistens Isländer, aber es hatte auch ein paar Mietwagen darunter. Ein Stopp und wenige Meter zu Fuss zu Fagrifoss (übersetzt schöner Wasserfall, der dem Namen alle Ehre macht) muss genauso sein, wie der Besuch von Fjardargljufur, der eindrücklichen grünen Schlucht am Ende der Strecke. Hier sind wir defintiv wieder „unter Leuten“, man hört Isländisch, aber auch Spanisch, Französisch, Deutsch und Schweizerdeutsch. Justin Bieber machte diese Naturperle auf unrühmlich Art und Weise zu einem Muss bei jüngeren Islandbesuchern. Insgesamt hatte es aber auch hier deutlich weniger Touristen als in den Vorjahren.
Ein wunderbares und eindrückliches Abenteuer ging zu Ende und darf in meinen Augen gut wiederholt werden. Als Gruppentour in einem Bus eignet sich die östliche Strecke Thveraleid nicht, aber als Privattour mit gutem Fahrzeug/guten Fahrzeugen ist es möglich, wenn die Bedingungen auch stimmen. Für geübte Fahrer könnte es auch ein geführtes Selbstfahrer-Erlebnis werden.
Weitere Routenbeschreibungen von Fjallabak Sydri, Tindfjöll-Umrundung und Öldufellsleid folgen gelegentlich auf dieser Webseite. Es war fantastisch Zeit und günstiges Wetter, um das südliche Hochland zu geniessen und zu erfahren, wieviel der 4×4 Camper leisten kann.
30. Juni 2021 um 22:08
Hallo Marianne, habe gerade deinen Blog über deine Reise zu den Laki Kratern gelesen. Klingt sehr interessant!
Wir planen im Oktober nach Island zu fahren und haben uns für die Dauer einen 4×4 gemietet. Gerne würden dir dann deine Reise „nachfahren“. Würdest du uns hierfür deine Reisekoordinaten zusenden?
Vielen Dank für dein Feedback.
Liebe Grüsse,
Philipp
19. August 2020 um 16:00
Ein sehr schöner Bericht Marianne den ich sehr gerne gelesen habe (wie alle deine Berichte). Man spürt die Begeisterung. Ich hoffe du kannst bald wieder sicher nach Island reisen. Bis bald mal wieder. Liebe Grüsse Andreas