Es soll nicht sein… Vor zwei Tagen musste ich schweren Herzens die Stornierung einer sehr speziellen Reise für einen Mann und mittlerweile Freund vornehmen, der an ALS leidet und bereits stark behindert ist. Es war bis gestern sein grosser Wunsch, noch nach Island zu reisen zu können. Dieser wurde ihm nun verwehrt und das Vorhaben musste abgesagt werden. Gerne hätte ich an dieser Stelle ab Dienstag täglich von der speziellen Reise berichtet. Nun findet sich hier alles andere als ein Reisebericht.
Im Spätherbst 2016 kontaktierte mich B. Zuvor hatte er für sich, eine Freundin und zwei Pflegepersonen eine Offerte bei einem anderen Anbieter eingeholt, welche nicht seinen Vorstellungen entsprach. Durch ein Bekannte wurde er auf mich als Islandkennerin aufmerksam, ich wiederum hatte auf anderen Wegen von ihm und seiner schweren Krankheit gehört. Telefonisch unterhielten wir uns über die Bedürfnisse und es war schnell klar, dass es hier nicht um eine Standardbuchung ging. Auf alle Fälle wollte ich mein bestes versuchen, für ihn und seine Mitreisenden eine Islandreise zu organisieren. Bald merkte ich, dass dies schneller gedacht als getan ist. So wurde es denn auch März bis alles mit gutem Gefühl bestätigt werden konnte. Für den Flug brauchte es diverse technische Angaben und Zulassungen für den Elektrorollstuhl und das Atemhilfsgerät. Sobald beides vom Flughafen Zürich und von Icelandair bewilligt war, begann ich mich auf die Suche nach einer geeigneten Wohnung zu machen. Ein Hotel kam für mich in diesem Fall nicht in Frage. Auf Internetportalen lässt sich „rollstuhlgängig“ filtern und so fand ich bald ein passendes Objekt. Da es noch viele Fragen dazu gab, eruierte ich die Adresse und gemeinsam mit Eggert konnten wir den Besitzer ausfindig machen, welcher freundlicherweise das Appartement für eine gewisse Zeit blockierte. Für mich war klar, dass B. und seine Begleiter einen Bus mit Rollstuhlrampe als Transportmittel brauchten, um ein bisschen flexibel zu sein. Aber solche Fahrzeuge gibt bei Mietwagenfirmen nicht. Wieder konnte mir Eggert helfen und ein Busunternehmen in Keflavik bestätigte uns für gewünschte Zeit ein Behindertentransportbus. Jetzt zeigte sich Licht am Horizont und die Reise schien machbar zu werden. Ich selbst entschied mich, auch einen Flug zu buchen, um die kleine Gruppe vor Ort zu betreuen und sie an geeignete Plätze zu führen, welche den Behinderten kräftemässig und zeitlich nicht überfordern würden. Bald stellte sich aber eine weitere Hürde in den Weg: Für die Wohnung brauchte es einen Personenlift und einen Dusch-Nachtstuhl. Dinge, die wir bei uns im Hilfsmittelgeschäft zum Kauf und zur Miete erhalten. Nicht so in Island! Viele Emails und Telefonate von mir und auch von Eggert zeigten, dass eine Miete in Island nicht möglich ist. Ein Kauf aber überschritt das sonst schon hohe Budget deutlich und man kann auch nicht alles im Flugzeug mitbringen. Sollte die Reise an den Hilfsmitteln scheitern? Glücklicherweise erhielten wir noch die Telefonnummer einer Frau, welche uns zwar diese nicht beschaffen konnte, aber uns auf eine Wohnung aufmerksam machte, die dem isländischen MND-Verein gehört (MND ist die Abkürzung, welche mehrheitlich in Grossbritannien verwendet ist, während ALS eher in USA/Kanada gebräuchlich ist). Sofort rief Eggert dort an und ich konnte kurze Zeit später das Apartement mieten. Die erste Wohnung mussten wir wegen der fehlenden Hilfsmittel wieder freigeben. Die Reise konnte im März endlich bestätigt werden und nun begannen sich alle Beteiligten darauf zu freuen, dass der Islandwunsch des Patienten doch noch erfüllt werden kann. Bei meinem Aufenthalt in Island im April verabredete ich mich mit Gudjon, welcher auch an ALS leidet. Er zeigte mir die Wohnung in Reykjavik und es war einfach perfekt. Grosszügig und praktisch eingerichtet und mit allen notwendigen Hilfsmitteln ausgerüstet, sogar ein elektrisch bedienbares Bett ist in der Wohnung. Ich war begeistert, fotografierte und schickte die Bilder in die Schweiz. Vor 12 Tagen lernten sich alle Teilnehmer inklusive mich kennen und wir schmiedeten Pläne und notierten uns noch Pendenzen. Der Tag X nahte und bald würden wir diese spezielle Reise antreten. Aber vor drei Tagen erfuhr eine Pflegebetreuerin, dass sie selbst im Moment nicht fliegen darf und die grosse Suche nach einem Ersatz begann. Auch ich schickte Emails raus, welche von vielen Leuten auch weitergeleitet wurden. Diverse in der Pflege ausgebildete Personen versuchten sich für die gefragte Zeit frei zu nehmen und boten ihren Dienst an. Eine Ersatzperson konnte gefunden werden und es ging noch darum das Flugticket umzuschreiben. Doch bevor es dazu kam, holte uns aus diversen weiteren Gründen die Gewissheit ein, dass die Reise doch abgesagt werden muss und das Flugrisiko mittlerweile sehr hoch geworden ist. Eine Schocknachricht für alle Beteiligten, am meisten natürlich für die Person, die sich diese Reise so sehr wünschte und sich unendlich darauf freute. Gestern platzten seine ganzen Islandträume und die Vorfreude aller Beteiligten wandelte sich in bittere Enttäuschung und Konsternation. Es soll nicht sein, Island wird ein Traum bleiben.
Sofort musste ich alle gebuchten Leistungen stornieren und merkte, dass selbst die Anbieter in Island ganz betroffen sind, diesen speziellen Reisenden nicht kennenlernen können. Ich bin immer noch aufgewühlt und habe Mühe es zu akzeptieren. Ich möchte es aber nicht unterlassen diversen Personen herzlich danken, welche keine Bemühungen scheuten, um diese unkonventionelle Reise möglich zu machen:
- Island ProTravel in Wetzikon mit Geschäftsführer Adalsteinn Hjartarson und dem ganzen Team
- Icelandair mit Claire Schubert und dem Team in Frankfurt
- Gudjon Sigurdsson, Präsident des isländischen MND-Vereins
- Margret Eggertsdottir und Saevar Baldursson für den Bus
- Eggert Gunnarsson für alle seine Telefonate in Island, wenn ich nicht weiterkam und seine Zusage als Support für die Gruppe zur Verfügung zu stehen
Ein grosses Dankeschön geht auch an alle, welche meinen Notruf für eine pflegerische Reisebegleitung beantworteten oder an geeignete Personen weiterleiteten. Es ist schön die Gewissheit zu haben, dass immer Leute bereit sind zu helfen.
Am allermeisten hoffe ich nun, dass die kranke und enttäuschte Person mit der Freundin und den Pflegepersonen eine schöne Ferienalternative findet, welche ohne Flug erreicht werden kann und welche für Island entschädigt.