Steht man dort, ist man unsicher, ob man noch auf dieser Erde ist… Die Anfahrt über die teilweise ausgewaschene, steile Piste ab dem Hotel in Kerlingarfjöll hinauf zum Parkplatz der Hveradalir ist abenteuerlich. Schon während der Fahrt lässt sich die unglaubliche Landschaft erahnen, nach wenigen Metern zu Fuss eröffnet sich ein Blick, den man kaum in Worte fassen kann. Farbige Rhyolithberge, dampfende heisse Quellen, letzte Schneefelder und kleine Gletscherflächen lassen den Atem stocken. Um das Gebiet zu entdecken, nimmt man es auf sich, schlammige Treppenstufen hinunterzusteigen, das Erlebnis ist einzigartig, Feuer und Eis liegen auf kleinem Raum nebeneinander. Während der Jubiläumsreise begegneten wir der Geothermie mehrmals, die Kräfte der Erde waren allgegenwärtig und riechbar.
Kerlingarfjöll, zu Deutsch Altweibergebirge, erreicht man über die Kjölurstrecke F35, welche diesen Herbst im südlichen Teil in schlechtem Zustand und löchrig war. Ungefähr sechzig, meist holprige Kilometer ab Gullfoss führt der Abzweig auf der F347 über weitere zehn Kilometer und vorbei am Gygjarfoss zum neuen Hotelresort, der Highlandbase Kerlingarfjöll. Die Architektur der neuen Gebäude passt gut in die Landschaft, die ursprünglichen dreieckigen Hütten wurden renoviert und können ebenfalls gebucht werden, auch Camping ist weiterhin möglich. Die warmen Pools lassen ein grosses Reservoir an heissem Wasser im Boden erahnen und es war wunderbar, sich nach der holprigen Fahrt darin zu entspannen.
Die Hochland-Landschaft ist ein tolles Wandergebiet, die Zeiten des ehemaligen Sommerskigebiets sind längst vorbei, die alten Skilifte wurden abgebaut. Ich selbst war noch nicht sehr oft dort, mag mich aber gut an die persönliche Führung durch Pall Gislason erinnern. Pall war lange die treibende Kraft in Kerlingarfjöll, er plante schon vor vielen Jahren den Umbau der Hütten zu einem Hotelkomplex. Nach ihm übernahmen Investoren und setzten die Pläne um, die jetzige Besitzerin ist Blue Lagoon, welche nach Möglichkeit das Hotel ganzjährig betreibt. Im Winter ist die Zufahrt nur per Super-Sprinter möglich. Im Sommer genügt bis zum Resort ein hochlandtaugliches Allradfahrzeug. Aber wer hier ist, sollte unbedingt die steilen Kilometer zum Geothermalgebiet der Hveradalir-Hochlandtäler weiterfahren. Für diesen Abschnitt empfiehlt sich ein besseres, gut bereiftes Geländefahrzeug, zu Fuss ist es ab Hotel ziemlich weit. Unterwegs bieten sich bereits atemberaubende Ausblicke.
- Flussschlaufe auf dem Weg zu den Hveradalir. Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- Blick über den mäandrierenden Fluss zu Hofsjökull. Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- Blick von Kerlingarfjöll zum Hofsjökull. 16.09.2025
Es war der eben erwähnte Pall, welcher mich zum ersten Mal dorthin brachte. Um den 20. Juni konnten wir nicht ganz nach oben fahren und mussten zu Fuss über einige Schneefelder stapfen. Die Mühe lohnte sich auf jeden Fall, der Blick in die Hveradalir ist überwältigend, die Farben, der Dampf, Schnee und Gletscher, es ist einfach nur unglaublich. Die Landschaft mit vulkanischem Ursprung ist sensibel, vor allem nach Regenfällen werden Wege schlammig. Damit nicht alles abrutscht, wurden an den Hängen der Hügel metallene Treppenstufen installiert. Es ist defintiv nicht ratsam dort in weissen Turnschuhen unterwegs zu sein. Unsere Reisegäste waren ebenso überwältigt wie ich und erkundeten das fantastische Gebiet mehrheitlich für sich selbst und saugten diese Natur förmlich auf. Wunderbares Licht begleitete uns, durch eine dünne Wolkenschicht drängte sich etwas Sonne und zauberte perfekte Farben hervor. Unten am Fluss dampfte und schwefelte es überall, Mitreisende verschwanden im weissen Nebel, um kurz darauf wieder aufzutauchen, einzelne erklommen weitere Hügel. Farbenfrohe Steine lagen am Fluss, welche wohl zu heiss und vor allem zu schwer waren, um sie zu berühren oder sie mitzunehmen. Die Hveradalir sind ein wahrer Hexenkessel von unglaublicher Schönheit! Es war ein gewaltiger Morgen in einer surrealen Welt, die Eindrücke werden unvergessen bleiben.
- Die farbige Bergwelt von Kerlingarfjöll. 16.09.2025
- Surreale, bunte Bergwelt. Kerlingarfjöll,16.09.2025
- Reisegäste werden vom Dampf verschluckt und wieder freigegeben. Hveradalir, Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- Auf allen Seiten lassen sich Bergrücken über Treppenstufen erklimmen. Hveradalir, Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- In den Hveradalir einen sich klare und milchige Wasser. Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- Wunderschöner, farbenprächtiger Stein am Fluss. Hveradalir, Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- Schweflig brodelnde Schlammquellen. Hveradalir, Kerlingarfjöll, 16.09.2025
- Eisiges Überbleibsel. Kerlingarfjöll, 16.09.2025
Aber wie zu Beginn erwähnt, führte unsere Reise an weiteren geothermalen Feldern vorbei. Kurz nach dem Start, stoppten wir im Süden in Laugarvatn, wo es am See heftig dampft. Zum einen ist es „die Heizzentrale“, welche doch etwas in die Jahre gekommen ist, zum anderen sind es die heissen Quellen am Ufer, wo im heissen Boden Lavabrot (Rugbraud) gebacken wird. Berühmt ist das Gebiet von Geysir mit dem zuverlässigen Strokkur, der alle paar Minuten eine Dampffontäne in die Höhe schiesst, startend mit einer schönen blauen Blase. Erst kürzlich wurde auf dem Gelände ein neuer Weg eröffnet, der bis jetzt versteckte heisse Quellen erschliesst. Im Hochland findet man ungefähr 40 Kilometer nördlich von Kerlingarfjöll in Hveravellir weitere Solfataren sowie ein Badepool mit angenehm weichem Wasser. Diesem konnte ich nicht widerstehen, weshalb es hier keine aktuellen Bilder. Das nächste Bad gönnten wir uns im Myvatn Naturbad, welches bald für ungefähr zwei Monate geschlossen wird, um renoviert und vergrössert neu als Earth Lagoon eröffnet zu werden (März/April 2026). Wir sind gespannt und hoffen, das Wasser bleibt fühlbar weich wie bis anhin. Wegen den ausgedehnten Herbstfarben-Spaziergängen besuchten wir weder Hverir noch Krafla im Myvatngebiet, fast alle der Reisegruppe waren auch schon dort. Aber wir wählten für die Rückfahrt die eher unbekannte Strasse via Geothermie-Kraftwerk Theystareykir. Nachdem es eine Weile geregnet hatte, fand die Sonne den Weg durch die Wolken, als wir bei den dortigen heissen Quellen standen und tauchte alles in ein wunderbares Licht. Der vorwiegend rote Boden leuchtete kräftig, daneben fauchte viel Dampf aus zwei Bohrlöchern. Ebenso tolle Lichtverhältnisse trafen wir am zweitletzten Tag im Borgarfjördur bei Deiltartunguhver, der ergiebigsten Heisswasserquelle Islands. Ein schönes Farbenspiel zeigte sich am Felsen hinter den sprudelnden, heissen Quellen und entlang der Leitungen, durch welche pro Sekunde 180 Liter 97 Grad heisses Wasser Richtung Borgarnes und Akranes geleitet werden.
- Dampfheizung in Laugarvatn. 15.09.2025
- Im heissen Boden wird Rugbraud gebacken. Laugarvatn, 16.09.2025
- Die blaue Blase beim Ausbruch von Strokkur. Geysir, 15.09.2025
- Herbstliches Geothermalgebiet Geysir. 15.09.2025
- Heisse Quellen und der brüllende Hügel, Hveravellir, 22.06.2023
- Hütten und heisser Pool in Hveravellir. 27.06.2021
- Myvatn Naturbad bei herbstlichem Schneetreiben. 18.09.2025
- Geothermalgebiet Theystareykir. 18.09.2025
- Schwefelquellen und buntes Gestein bei Theystareykir. 18.09.2025
- Heisse Quellen und Dampf eines Bohrlochs. Theystareykir, 18.09.2025
- Es dampft gewaltig fauchend aus den Bohrlöchern. Theystareykir, 18.09.2025
- Sprudelndes, heisses Wasser bei Deiltartunguhver. 23.09.2025
- Heisswasserleitung nach Borgarnes und Akranes. Deiltartunguhver, 23.09.2025
Geothermie und Island gehören unzertrennlich zusammen und ist auf allen unseren Reisen dabei, auch bei den Herbstfarben 2026. Bald folgt der vierte und letzte Teil des Reiseberichts und wird in Wort und Bild von den Nordlicht-Erlebnissen erzählen.


























