Alfred Wegener und die Theorie der Kontinentaldrift

Die von Alfred Wegener erstellte Vermessungssäule in Gardabaer ist heute Denkmal an ihn. 19.03.2024

Das Denkmal an Alfred Wegener macht einen verfallenen Eindruck und man nimmt es kaum wahr, wenn man in Gardabaer bei Reykjavik nicht wissentlich danach sucht. Irgendwie passt es aber so zur Geschichte von Alfred Wegener, welcher im frühen 20. Jahrhundert mit seiner Theorie der Kontinentaldrift die Wissenschaft zu überzeugen versuchte, aber nicht viel mehr als Hohn und Spott erntete. Gerade zur jetzigen Zeit mit der Serie von Vulkanausbrüchen auf der Halbinsel Reykjanes ist das Thema Kontinentaldrift sehr aktuell und man fragt sich, ob etwas anders wäre, hätte man Alfred Wegener bereits früher geglaubt?

Was man in Gardabaer vorfindet ist eine von Alfred Wegener erstellte Vermessungssäule, welche mit diversen Tafeln an ihn und die Theorie der Kontinentaldrift erinnern. Gemäss den Informationen auf einem Schild gibt es mehrere solche Säulen, Wegener nutzte diese, um die Theorie der Kontinentaldrift mit Zahlen beweisen zu können. Die moderne und heutzutage genutzte GPS-Vermessung war zu seiner Zeit unbekannt. Wer die Wegener-Säule aufsuchen möchte, findet diese  unter der Adresse Kriunes 9 in 210 Gardabaer. In der Folge widmet sich dieser Beitrag zuerst der Person Alfred Wegener, danach der Kontinentaldrift-Theorie, welche später zur Plattentektonik umbenannt wurde.

Alfred Lothar Wegener wurde 1880 in Berlin als jüngstes von fünf Kindern einer Pastorenfamilie geboren. Sein Vater war Theologe und Gymnasiallehrer für alte Sprachen. In der Familie wurde das Interesse an der Natur bei den Kindern geweckt und gefördert. Nach dem Gymnasium, welches Alfred als Klassenbester abschloss, studierte er Physik, Meteorologie und doktorierte in Astronomie. Mit seinem Bruder Klaus zusammen widmete er sich ab 1905 hauptsächlich der Meteorologie und Polarforschung. Um die astronomische Ortsbestimmung zu erproben, stiegen die beiden in einem Heissluftballon auf und stellten mit 52,5 Stunden einen Dauer-Rekord im Ballonfahren auf, sie waren also gewissermassen Vorfahren von Bertrand Piccard. Ebenfalls 1905 nahm Alfred an der ersten von insgesamt vier Grönlandexpeditionen teil und baute in Grönland die erste meteorologische Station. 1908 kehrte er zurück nach Deutschland und wurde Privatdozent an der Universität Marburg. Dort war er bei den Studierenden beliebt, weil er seine Forschungsergebnisse und komplizierte Fragen verständlich vermitteln konnte. 1912 nahm er an einer zweiten Grönlandexpedition teil, für welche ein Zwischenstopp in Island eingelegt wurde. Dort kauften und erprobten sie Islandpferde für den Lastentransport. Der Isländer Vigfus Sigurdsson  gehörte mit mit den Pferden zum Expeditionsteam (Bild im Link von Environment & Society Portals). Sie überwinterten als erste Menschen auf dem Inlandeis Grönlands. Im Sommer 1913 überquerten sie das Inlandeis hoch im Norden Grönlands. Die Expeditionen verliefen nicht ohne Probleme und Unfälle, auch mit Todesfolge.

Nach seiner Rückkehr im selben Jahr heiratete Wegener Else Köppen, mit welcher er seit 1911 verlobt war. Sie war die Tochter seines früheren Lehrers und Mentors, des Meteorologen Wladimir Köppen. Gemeinsam hatten sie drei Töchter, die jüngste heiratete später den Bergsteiger Heinrich Harrer, welcher bei der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand dabei war. Alfred Wegener wurde 1914 zum Wehrdienst im ersten Weltkrieg eingezogen, Verwundungen machten ihn felddienstuntauglich und er wurde zum Heereswetterdienst umgeteilt. Gleichzeitig arbeitete weiter an seinen begonnen Projekten, unter andere einem Buch über die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Nach dem Krieg zog die Familie nach Hamburg, wo Wegener als ausserordentlicher Professor an die neu gegründete Universität berufen wurde. Auch in den Folgejahren widmete er sich seiner Kontinentalverschiebungstheorie, aber er erhielt kaum Gehör und erntete von der Fachwelt fast nur Kritik. 1924 lockte ein Lehrstuhl in Graz, dort erhielt er auch die österreichischische Staatsbürgerschaft. 1929 reiste Wegener wieder nach Grönland. Es war eine Vorexpedition für das Folgejahr, um einen geeigneten Standort für eine Basisstation zu finden, sowie Transport- und Ausrüstungsfragen zu klären. In diesem Jahr machte Wegener Vorversuche für Eisbohrungen, von welchen er sich neue Erkenntnisse versprach. Die Hauptexpedition 1930 sollte Wegeners letzte werden. Ungünstige Eisverhältnisse und untaugliche Transportmittel machten alles schwierig. Er war mit einem grönländischen Begleiter auf dem Rückweg von der Forschungsstation Eismitte, welche er mit Lebensmitteln versorgt hatte, als er vermutlich im November 1930 überanstrengt an einem Herzversagen starb. Rasmus Villumsen bestatte ihn unter seinen Skiern, eingenäht in Decken und Pelze. Rasmus selbst blieb samt Wegeners Tagebuch verschollen. Am 12. Mai 1931 wurde das sorgfältig angelegte Grab Wegeners im Eis gefunden. Und immer noch glaubte kaum jemand an die Theorie der Kontinentaldrift von Alfred Wegener…

Gemäss einem Geolino-Artikel schaute sich Alfred Wegener an Weihnachten 1910 einen neuen Weltatlas an. Im fiel auf, dass die Formen der Kontinente Südamerika und Afrika erstaunlich gut zusammenpassten. Wie ein Detektiv begann er in verschiedenen Wissenschaften nach Beweisen dafür zu suchen, dass die Kontinente über lange Zeit ihre Lage verändert hatten. 1912 sprach er in Frankfurt am Main an der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung. Er erklärte, die oberste Schicht der Erdkruste sei in Platten aufgeteilt und schwämmen diese auf dem flüssigen Erdmantel. So seien Ozeane und Gebirge entstanden. Wegener wurde vorgängig gewarnt, er würde mit dieser Theorie einen schweren Stand unter Wissenschaftlern haben. Er musste Unverständnis, Spott und Beleidigungen einstecken. Man ging damals von der Annahme aus, die Erde sei als glühender Ball nach der Entstehung erstarrt und so geblieben. Das Vorkommen von gleichartigen Gesteinen, Fortsetzung von Gebirgen, Fossilien gleicher Tiere (z.B. Regenwürmer und Schnecken), sowie Pflanzen wie Glossopteris auf verschiedenen Kontinenten, erklärte man mit Landbrücken zwischen den Erdteilen. Diese seien dann im Laufe von Jahrmillionen im Meer versunken. Wegeners Einwand, Landmassen könnten aus physikalischen Gründen nicht versinken, liess kaum jemand gelten. Wegener war indes überzogen und veröffentlichte 1915 die erste Fassung seines Hauptwerks „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“, von 1920 bis 1923 erschienen weitere Fassungen. Er beschrieb einen zusammenhängenden Urkontinenten, welcher später Pangaäa genannt wurde und mit der Zeit in mehrere Teile aufbrach. Diese Landteile wiederum drifteten mehr und mehr auseinander. Er forschte in der Geophysik, der Geologie, der Paläontologie, der Biologie, suchte Klimazeugen, aber leider vermochte Wegener nicht zu erklären, was der Antrieb für die Drift der Kontinente war. Vielleicht kam ihm eine Vermutung als er sich an seine erste Grönlandreise erinnerte, wo er Treibeis beobachtete hatte, welches sich langsam bewegete. Ein anderer Wissenschaftler kam mit der Idee von Konvektionsströmen im Erdmantel, erstaunlicherweise verfolgte Wegener diese nicht weiter. Trotz der Ablehnung seiner Angaben blieb er hartnäckig bei seinen Annahmen und plädierte darauf, in der Wissenschaft die alten Behauptungen durch seine neue Theorie der Kontinentaldrift zu ersetzen. Dies geschah erst viel später als Wegener längst verstorben war. 1960 wurde mit einem Forschungsschiff und Hilfe von Echolot der Boden des Atlantiks kartiert. Man wusste bereits von der Existenz des Mittelatlantischen Rückens, aber erkannte eine Spalte darin und Sedimentproben zeigten, das Material in der Mitte war jünger als dasjenige an den Rändern des Untermeeresgebirges. Ozeane wie der Atlantik entstanden demzufolge tatsächlich durch Auseinanderdriften, Gebirge wie die Alpen falteten sich durch den Zusammenprall von sich bewegenden Landmassen. Alfred Wegener wurde lange nach seinem Tod rehabilitiert, sein Grab in Grönland soll sich seit 1930 durch Kontinentaldrift bereits eineinhalb Meter weiter weg von seiner Heimat bewegt haben. 

Der Begriff der Kontinentaldrift wurde später durch Plattentektonik ersetzt, diese gilt noch heute! Seit 1970 werden die Bewegungen der Kontinente mit Satelliten gemessen, mittlerweile ist dies sehr genau möglich. Es bleibt die Frage, ob etwas anders wäre, hätte man Wegener schon früher geglaubt? Wäre an den Plattengrenzen nicht oder weniger gebaut worden und hätte man verhindern können, dass ein Orte wie Grindavik entstand. Aktuell ist nicht sicher, ob dieser Ort weiter existieren oder aufgegeben wird. Aber Grindavik ist längt nicht alleine mit der Lage an der Grenze tektonischer Platten, San Francisco und viele mehr gesellen sich dazu und sind gefährdet.

Sicher ist, Island ist und bleibt ein perfektes Anschauungsbeispiel in Sachen Plattentektonik. Auf der Halbinsel Reykjanes, in Thingvellir und im Norden bei Husavik erkennt man Dehnungsspalten deutlich in der Landschaft.

Viel Vulkanismus ist entlang des Mittelatlantischen Rückens angesiedelt, welcher sich an Land von Südwesten bis in den Norden der Insel zieht. In Kopasker gibt es im Sommer eine spannende Erdbebenausstellung, in der auch Alfred Wegener erwähnt wird – und ja, seine Theorie der Kontinentaldrift war wirklich richtig!

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4 Kommentare

  1. Alfred Wegener war mir von unsere letztjährigen Grönlandreise bekannt, bewundernswert was Menschen früher in Erfahrung bringen konnten,

    • Danke für den Kommentar und ja, die Bewunderung wird nur noch grösser, wenn man bedenkt, wie man damals unterwegs war und welche Strapazen man auch sich nahm im Vergleich zu heute.

  2. Spannender Bericht, danke Marianne!

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