Seit 27 Jahren packt Benedikt jeweils zu Beginn des Advents seinen Rucksack für seine Wanderung ins isländische Hochland. Er sucht dort nach den Schafen, welche im Herbst beim Abtrieb vergessen wurden. Diese Adventsnovelle von Gunnar Gunnarsson ist wirklich empfehlenswert, vor allem für Islandbegeisterte.
Benedikt ist ein spezieller Charakter und nicht mehr der Jüngste. Stur macht er sich jeden Advent auf den Weg, begleitet von seinem Hund Leo und Knorz, dem Schwein. Er ist ein Naturbursche und natürlich Tierliebhaber, wer würde sonst mit einem Schwein unterwegs sein und selbstlos in den Bergen nach verlorenen Schafen suchen. Benedikt ist sehr religiös und gottesfürchtig, ergibt sich die Gelegenheit hilft er anderen, selbst wenn er weiss, dass es gefährlich sein kann. Am liebsten zieht er schon am ersten Adventssonntag los, viellicht lässt sich seine jährliche Wanderung als eine Art Meditation betrachten. Auf den wenigen Farmen Richtung Gebirge, wird das eigenartige Trio zu dieser Zeit bereits erwartet. Ist ein Sturm im Anzug, versuchen die Bauern seine Weiterwanderung zu verzögern, meistens vergeblich, denn jetzt brauchen die vergessenen Schafe erst recht Hilfe und müssen aus den Bergen zurückgetrieben werden. Wer schon isländische Winterstürme erlebt hat, weiss was dies bedeutet, in den Bergen, im Hochland ist man Wind und Schnee erst recht ausgeliefert. Die Einsamkeit könnte nicht grösser sein! Benjamin ist sich der Gefahr bewusst, seine Erfahrung in der Natur und der Glaube an Gott brachten ihn auch im 27. Advent wieder zurück, mit einigen Schafen, Leo und Knorz!
Der nicht unumstrittene isländische Schriftsteller Gunnar Gunnarsson legte 1931 mit der Kurzgeschichte „Der gute Hirte“ den Grundstein für die dänische Novelle „Advent“, welche 1936 von Helmut de Boor ins Deutsche übertragen wurde. Leider ist zur Zeit die gebundene Version in der Schweiz im Buchhandel nicht erhältlich, preisgünstig gibt es aber die gelbe Reclamversion, wer kennt diese Büchlein nicht aus den Schulzeiten. Spannend ist das Nachwort des bekannten, isländischen Schriftstellers Jon Kalman Stefansson, welcher fast zufällig auf die Erzählung gestossen ist. Er war erstaunt, mit wie wenig Inhalt ein tolles Buch entstanden ist. Seit vielen Jahren liest Stefansson den Advent im Hochgebirge zwischen dem 23. Dezember, der Thorlaksmesse und dem Weihnachtstag. Wer weiss, ob ich seinem Beispiel folge, vielleicht nicht ganz an den gleichen Daten, aber das auf dem Buchrücken gedruckte Motto einer ganz besonderen Adentswanderung lädt dazu ein und die Weihnachtszeit wird besinnlich: „Doch schön ist’s mit Sternen zu wandern und gleich ihnen in Bewegung zu sein.“