Wikingerhof Stöng und der Vulkan Hekla

Die Ausgrabungsstätte des Hofes Stöng im Thjorsadalur. 04.08.2024

Sie wählten bei der Landnahme eine tolle Lage für ihre Farmen, aber sie rechneten nicht mit Vulkan Hekla. Das schlechte Wetter an einem Tag der letztjährigen Kräftespielreise liess uns die Route etwas ändern und führte uns unter anderem zur Ausgrabungsstätte Stöng im Thjorsardalur, welche sich nun sehr schön präsentiert und einen Besuch lohnt. Spannend sind zudem Hintergründe, auf welche man bei Recherchen stösst.

Man schrieb das Jahr 1939, als in Island das erste Mal ausgebildete Archäologen zu forschen begannen und im Thjorsardalur in Südisland acht alte Höfe aus vulkanischem Material freilegten. Die Gebäudereste des Hofes Stöng wurden 1957 überdacht, die anderen wieder zugedeckt. Von früheren Fahrten ins Tal erinnerte ich mich an die roten Dächer, welche man zwischen den Birken entdecken konnte, durch eine Furt und über einen Pfad konnte man diese erreichen. Unter dem Dach war es dunkel, fast etwas unheimlich, aber man erkannte die Restmauern aus der Wikingerzeit. 1992/93 fand man bei weiteren Ausgrabunge eine Kirche. Um Stöng zugänglicher und attraktiver zu machen, wurde die Kulturstätte umgestaltet. Für Besuchende gibt es nun Parkplätze, gute Wege und der ausgegrabene Hof erhielt ein durchsichtiges Dach, welches tagsüber viel Licht spende. An verschiedenen Seiten gibt es Plattformen zur Besichtigung. Offensichtlich bestand das Wikinger-Langhaus aus einer eindrücklich grossen Halle mit Feuerstelle, bei welcher gearbeitet und gegessen wurde und an deren Seite Betten standen. Neben einem weiteren Wohnraum, gab es eine Speisekammer und in einem kleineren Raum dürfte ein Webstuhl gestanden haben. Zusätzlich hatte es einen verhältnismässig grossen Toilettenraum ( (siehe Infotafel auf Wikipedia).  Ob dort vielleicht eine Stange war, auf welche man sich setzte und welche der Farm den Namen gab (Stange heisst auf isländisch stöng)? Bei den Bauarbeiten 2023 wurde etwas weiter östlich ein weiterer Hof gefunden, der ebenfalls ein Schutzdach erhalten soll. Bei einem Besuch merkt man schnell, was für einen schönen Ort die Wikinger zum leben wählten. Die angrenzende, grosse Ebene, dürfte geeignet gewesen sein, um das Vieh weiden zu lassen und Gras für den Winter zu schneiden. Wäre da nicht ein gefährlicher Vulkan in der Nähe. Die Ebene gibt kein oder wenig Gras mehr her, die Ausbruchsspuren sind unverkennbar. Der Hügelzug aus farbigem Rhyolithgestein Richtung Norden zeugt von älterer Vulkantätigkeit im Gebiet, sieht aber je nach Licht sehr schön aus. Nirgends waren Angaben zur genauen Bauzeit des Hofes zu finden. Definitiv ist Stöng eines des besterhaltenen Bauwerke Islands aus dem Mittelalter und ein seltenes Beispiel eines aus Holz gebauten Langhauses. Mit der Landnahme rodeten die Wikinger die Bäume auf der Insel innert kurzer Zeit und Holz stand danach als Baumaterial nicht mehr zur Verfügung. So schön die Lage von Stöng auch ist, die Wikinger wussten nicht, dass Gefahr vom Vulkans Hekla drohte. Beim grossen Ausbruch von Hekla im Jahr 1104 wurden der Hof und andere Farmen verwüstet. Stöng wurde danach aber zeitweise wieder bewohnt, der Vulkan brach mehrmals aus. Vermutlich war Stöng mit Unterbrüchen bis ungefähr ins Jahr 1300 in Betrieb. Die Gebäude wurden bei Eruptionen mit viel Bimsstein überdeckt, dank dieser Schicht blieb einiges gut erhalten. Die sogenannte Freistaatzeit der Wikinger ging auf Island ungefähr gleichzeitig zu Ende, die Sippen waren zerstritten, Mord und Totschlag regierten, der norwegische König übernahm die Regentschaft auf der Insel, diese ging später an Dänemark über. Aus dem Landnahmebuch ist nur Gaukur Trandilsson als Bewohner von Stöng bekannt. Eine Liebschaft mit der Frau eines anderes Farmers im Tal wurde nicht toleriert und Gaukur wurde eines Tages auf dem Weg zu ihr umgebracht. Sein Blutsbruder lauerte ihm bei einem markanten Felsen auf. Die Geschichte ist in der südisländischen Njalls-Saga erwähnt, der Ort des Geschehens liegt direkt an der Strasse 32 und wurde nach dem Opfer benannt, Gauksfhöfdi.

Fundgegenstände der Ausgrabungen von Stöng lassen sich heute im Nationalmuseum in Reykjavik anschauen. Vor oder nach dem Besuch kann man sich einen noch besseren Eindruck verschaffen, wie die Wikinger lebten, wenn man die eins zu eins Rekonstruktion des Hofes in der Nähe besuchet. Thjodveldisbaerinn (Commenwealth Farm) findet man etwas südlich und ist sehr gut zugänglich. Der Museumshof wurde von 1974 bis 1977, zur Feier von 1100 Jahren Besiedlung Islands erbaut. Das grasbewachsene Gebäude ist aus der Ferne in der Landschaft je nach Licht kaum erkennbar, im Sommer ist das Museum kostenpflichtig für Interessierte geöffnet. Gute Bilder gibt es vom Innern im ausführlichen Blogbeitrag von Regina Hrönn Ragnarsdottir auf der Webseite Guide to Iceland.

Das Tal des Flusses Thjorsa am Fusse des Vulkans Hekla ist lieblich und rau zugleich und abseits des Haupttouristenstroms, vermutlich ein Grund, weshalb ich das Gebiet gerne besuche und meinen Reisegästen diese Alternative vorschlug. Der Wasserfall Hjalparfoss, die Schlucht Gjain und bei genügend Zeit der Wasserfall Haifoss sind wunderschöne Naturperlen, die Neuversion der Ausgrabungsstätte Stöng und die Rekonstruktion Thjodveldisbaerinn machen diesen Abstecher zu einem spannenden Tag. Aktuell sind ein neues Hotel mit Badelagune im Bau, ein grosses Wasserkraftwerkprojekt wurde erst kürzlich gestoppt. Vermutlich werden wir die Eclipse-Reise zur Sonnenfinsternis im August 2026 diese Sehenswürdigkeiten auf dem Weg zum Hochland ergänzen, als Privattour kann ein Besuch des Thjorsardalur jederzeit angefragt werden. In unserem Fall war die Routenänderung sicher ein guter Entscheid für alle, mir brachte sie neue Erkenntnisse und wie im letzten Beitrag erwähnt, zahlte sich abwarten aus, ganz im isländischen thetta reddast Stil.

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