Osmann von Joachim B. Schmidt – kombinierbarer Buchtipp

Der Roman Osmann von Joachim Schmidt auf der Schulter des Fährmanns im Skagafjördur. 03.05.2025

Eigentlich heisst er Jon Magnusson und wird wie so mancher Jon in Island auch Nonni genannt, aber weil er im Skagafjördur Personen über den Fluss führte, kannte man ihn als Fährmann Jon Osmann. Heutzutage erinnert eine Statue bei der Flussmündung an ihn, Joachim B. Schmidt macht ihn in seinem neusten Roman Osmann fast wieder lebendig. Ein faszinierendes Buch ist entstanden, welches in mir unweigerlich den Drang auslöste, in den Skagafjördur zu reisen, wo Osmann sein ganzes Leben verbrachte. 

Ob Osmann tatsächlich so gross war wie seine Statue, welche Ragnhildur Stefansdottir schuf und seit 2009 am West-Os steht? Ich kam mir jedenfalls neben ihm stehend sehr klein vor. Auch im Buch erhält man den Eindruck eines sehr kräftigen Hünen und umso erstaunlicher ist es, an der Mündung des Flusses in den Fjord den kleinen Unterstand von Osmann zu sehen. Die halbzerfallene Hütte trägt den Namen“Emanuel“, weil am Eingang das Schild  eines 1906 gestrandeten Dampfschiffs hing. Gerade im Winter dürfte diese kaum Wetterschutz geboten haben, von Wärme konnte nicht die Rede sein – gewärmt haben dürfte höchstens der Brennivin, welchen der gesellige Fährmann seinen Reisenden oftmals anbot. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass er selbst dem Alkohol zugeneigt war.

Joachim Schmidt unterstreicht gekonnt die im früheren Island für die Menschen so schwierigen Winter, indem die einzelnen Kapitel im Titel nicht das Alter des Fährmanns erwähnen, sondern mit der Jahrzahl die Anzahl Winter, welche Osmann überlebt hatte – keine Selbstverständlichkeit, wie man im Buch erfährt. 

Jon Magnusson wurde 1862 auf einer Farm in Nes, auf dem Landstück Hegranes zwischen den beiden Heradsvötn-Flussarmen an der Skagafjördur-Mündung geboren. Dieser Farm fiel die Aufgabe zu, Personen samt Tieren und Gepäck gegen eine Gebühr über den West-Os, die Flussmündung zu transportieren. Steht man wie ich an einem sonnigen, windstillen Tag dort, hat man nicht das Gefühl, dass dies schwierig war. Aber wer das isländische Wetter samt seinen Winterstürmen kennt und um die Tücken der Gezeiten weiss, kann sich vielleicht den Kraftakt vorstellen, den diese Aufgabe erforderte, die Jon von seinem Vater übernommen hatte. Immerhin gab es eine Verbesserung im Jahr 1890, als über den Os ein Kabel gespannt wurde, um ein Wegdriften der Fähre zu vermeiden. Das Geld für eine Brücke fehlte zu dieser Zeit oder wurde von den Dänen lieber anders investiert. Erst 1926 entstand die Brücke, welche heute nur noch zu Fuss begehbar ist und von Saudarkrokur her kommend zum Furduströnd (Fabelstrand) führt. Autos, Busse und Lastwagen benutzen die neue Brücke der Strasse 75. In Mitteleuropa war man zu jener Zeit schon deutlich weiter, die Kirchenfeldbrücke in Bern entstand 1883, die stählerne Schwarzwasser-Strassenbrücke in meiner Region sogar ein Jahr früher.

Im Buch erfährt man, wie wichtig der kleine Hafen bei Hofsos war, den wir auf der Wintermärchenreise besuchten. In den alten Gebäuden befindet sich das Auswanderermuseum und Joachim erzählt immer wieder von Personen, welche in der Zeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts Island Richtung Kanada oder Amerika verliessen, wenn sie die Chance erhielten. Das Leben in Island war damals erbärmlich, der Tod lauerte überall und verschonte auch Kleinkinder nicht. Osmann musste selbst manchen Schicksalsschlag ertragen, sei es in der Familie oder wenn Freunde vor seinen Augen ertranken.

Hofsos mit Hafen, alten Lagergebäuden und Auswanderermuseum. 28.02.2025

Heutzutage freuen wir uns und zücken die Kamera, sobald wir eine Robbe entdecken. Auch Osmann machte ein solcher Anblick glücklich. Er holte so schnell als möglich sein riesiges Gewehr, um die Robbe zu erlegen. Eine solche Beute sicherte für eine Weile die Nahrung und bot eine Abwechslung zu den getrockneten Fischen.  

Mein bis jetzt wohl eher nüchterner Text kann in keiner Art und Weise mit Joachims Schreibstil mithalten. Er versteht es in seinem Buch gekonnt, die Person von Osmann in allen Gemütslagen zu beschreiben und die Lesenden merken, der Fährmann ist nicht nur kräftig oder gar grobschlächtig, sondern er zeigt immer wieder Feingefühl, seine weitreichende Gedankenwelt wird dargelegt und wie auch dem Infoschild an der Osmündung, sind ab und zu Gedichte von Osmann eingeflochten, für welche dieser in der Gegend bekannt war. Eindrücklich formuliert der Schriftsteller auch Momente, in denen die Fantasie den Fährmann beherrschte, er Geister und Elfen sah. Geheimnisvoll begleitet ein Freund in Ich-Form die Leserschaft durch das ganze Buch und man bleibt bis zum Schluss eher im Ungewissen. Und ja, das Ende des Romans hat es in sich, aber es passt…

Joachim, dir ist mit Osmann ein grossartiges Buch gelungen und ich hoffe, du wirst damit an die Kalmann-Erfolge anknüpfen können. Ich jedenfalls kann Osmann sehr empfehlen. Die Lesenden erhalten einen wertvollen Eindruck, wie hart das Leben in Island gewesen ist, welchem Überlebenskampf die Menschen ausgesetzt waren. Du hast unglaublich viel recherchiert und die Erkenntnisse gekonnt eingeflochten. Hier wage ich zu sagen, je besser man Island und einige Hintergründe kennt, desto ergiebiger ist das Buch. Leider habe ich das Buch schon fertig gelesen und ich weiss, dass der Krimi, der auf mich wartet, einen schweren Stand haben wird. Zum Glück hat mir aber Joachim Schmidt schon von seinem nächsten Projekt erzählt, ich bin gespannt und voller Vorfreude wie wohl auch seine Fan-Leserschaft.

Joachim wird in der Schweiz und in Deutschland mit Lesungen unterwegs sein, vielleicht passt ein Datum und soviel ich weiss ist die Liste noch nicht abschliessend. Man besuche seine Webseite für Informationen. 

Unsere Jubiläums-Herbstfarbenreise führt gleich zu mehreren Büchern von Joachim Schmidt, wir besuchen Osmann im Skagafjördur, am Myvatn Am Tisch sitzt ein Soldat und in Raufarhöfn Kalmann. Die Reise war schon vor der Erscheinung von Osmann geplant, fügt jetzt aber drei Werke auf einer Reise zusammen. Warum nicht etwas lesen, während wir auf die Nordlichter warten?

Kombinieren kann man das neue Buch auch auf einer individuellen Reise in die weniger bekannte und touristische Gegend am Skagafjördur. Ich selbst werde nun vermehrt die Route via Saudarkrokur über den Fjord wählen, Osmann winken oder sogar etwas bei ihm verweilen, anstatt über die Ringstrasse und Varmahlid zu fahren. Die einsame Halbinsel Skagi hat mich begeistert. Und schlussendlich ist der Weg von oder nach Budardalur zu den Glas-Cabins von Esther und Pierre (Übernachtungstipp Mystic Light Lodge) auch nicht sehr weit. Vielleicht stoppt man noch bei Thristapar und gedenkt der hingerichteten Agnes, welche vor nicht sehr langer Zeit ein eindrückliches Mahnmal erhalten hat – vielleicht folgt hier ein weiterer Blogartikel. Eine solche Reise wäre auch als Privattour durch Natur, Kultur und Geschichte denkbar, auf Anfrage geht vieles. 

2 Kommentare

  1. Super, Marianne – leider – oder zu meinem Glück, habe ich alle Schmidtbücher ausser dem Osmann schon mit grossem Vergnügen mehrmals gelesen!!
    Herzlich Ursula

    • Danke liebe Ursula und ja, die Bücher von Joachim kann man gut mehrmals lesen. Jetzt freu dich auf Osmann und auf der Herbstreise werde ich ihn dir vorstellen. Ich freue mich! Liebe Grüsse Marianne

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